Dr. Marita Pabst-Weinschenk http://user.phil-fak.uni-duesseldorf.de/~pabst www.uni-duesseldorf.de/muendlichkeit |
Zur Konkretion der Bildungsstandards "Sprechen und Zuhören" (Mittlerer Bildungsabschluss, KMK 4.12.2003)
|
|
0. Guter
Unterricht
1. Zur
Systematik der KMK- Bildungsstandards 3. EU Key competence Implementation 2010
4.1 content vs. performance 4.2 Heuristisches 3D-Modell - Modell nach Ossner 4.3 DGSS-Bildungsstandards Mündliche Kommunikation - ein umfassendes Content-Modell - Rede-Pyramide
- Synopse und als begriffliches Content-Modell 5. Zur Evaluationsproblematik 6. Aufgabenbeispiele 6.1 KMK - Allg. Vorschläge für Überprüfungen 6.2 KLP NRW 7. Opportunity-to-learn- Standards im Bereich Mündlicher Kommunikation |
Rede-Pyramide Didaktisches Synopse-Modell, in dem die Kriterien und das Zusammenwirken der verschiedenen Ebenen dargestellt wird nach Pabst-Weinschenk: Reden im Studium. Frankfurt/M. 1995, 23 ff; auch Pabst-Weinschenk: Die Sprechwerkstatt. Braunschweig 2000, 9-14; Pabst-Weinschenk (Hg.): Grundlagen der Sprechwissenschaft und Sprecherziehung. München 2004, 16ff Seite 1: "Fuß"
- Form, Präsentation (rhetorische Oberfläche) Auf dem Fundament der Körpersprache baut sich der
Sprechausdruck und schließlich die Wortsprache auf. Die Entwicklung von
der Körpersprache zur Wortsprache kann man menschheits- und
individualgeschichtlich feststellen. Die Wortsprache ist das höchst
entwickelte und zuletzt erworbene Verständigungssystem (Lurija 1981).
Diese Entwicklung wirkt beim Reden immer mit. Treten z. B.
Formulierungsprobleme beim Sprechdenken oder Verständigungsschwierigkeiten
mit einem Gesprächspartner auf, wird automatisch auf das einfachere,
zugrundeliegende System der Körpersprache zurückgegriffen: Wir
gestikulieren oder zeigen auf etwas. Und Verkrampfungen der Körpermotorik
blockieren den Sprechfluss und die Formulierung, so dass Füllwörter
und Sprechdenkgeräusche wie äh,
mh gehäuft auftreten (vgl. auch de Ruiter 1998). – Bei
allen Aspekten handelt es sich um weitgehend automatisierte
Verhaltensweisen. Sie laufen unbewusst ab. Wollte man sie ständig
bewusst vollziehen, würde man handlungsunfähig. Die Automatisierung
hat eine wichtige Entlastungsfunktion. Zu Lern- und Übungszwecken
sollte man immer nur einzelne Aspekte stärker bewusst vollziehen. Die
Einschätzung von Glaubwürdigkeit folgt der Genese: Dem Augenschein der
Körpersprache und dem Klang des Sprechausdrucks wird mehr geglaubt als
den Worten. Als Metamitteilung leiten sie das Verständnis. Seite 2: "Kopf"
- Inhaltskonzept (Rhetorische
Tiefenstruktur) Beim Inhaltskonzept, das man vorbereitet, wenn man
dazu Gelegenheit hat, geht es nicht nur um die Sache, sondern um das
Konzept der gesamten Kommunikationssituation. Hat man die
Sprechsituation (= Macrostruktur-Ebene) erfasst, wird eine
Hauptzielsetzung mit passender Rede-Gliederung oder Gesprächsphasenstruktur
(Mesostruktur) und geeignete Sprechoperationen wie Fragen, Zuhören,
Bewertungen etc. (Microstruktur) ausgewählt. Eine Basis-Orientierung
bietet hier das Organon-Modell mit den Zeichenfunktionen: Darstellung,
Ausdruck, Appell (Bühler 1934). Hinsichtlich der einzelnen Aufgaben bei
der Gesprächssteuerung ist wichtig, dass Gespräche sich über
Sprecherwechsel organisieren und neben den Aufgaben der
Themenbearbeitung immer auch die der Beziehungsgestaltung beachtet
werden müssen (Pabst-Weinschenk 2004a, 131f). Aus solchen Kriterien
kann man für verschiedene Situationen überlegen, welche
Handlungsweisen angemessen sein könnten. Die Präsentation (Seite 1)
beeinflusst die Wirkung des Inhaltskonzepts, das seinerseits aber auch
die äußere Form mitbestimmt. Bei einer sachlichen Information spricht
man z. B. anders, als wenn man jemanden überzeugen möchte. Und aus
diesen Zeichen auf der Oberflächenstruktur zieht der Gesprächspartner
Rückschlüsse auf die inhaltliche Tiefenstruktur (Gliederungen,
Absichten, Sprechhandlungen) und die persönlichen Haltungen bzw.
Struktur der Persönlichkeit. Seite 3: "Bauch"- Redner-Persönlichkeit Im Inhaltskonzept und in der Präsentation kommt die
Persönlichkeit des Redners zum Ausdruck, und der Zuhörer zieht aus der
rhetorischen Oberflächen- und Tiefenstruktur Rückschlüsse auf die
Person des Sprechers und seine Einstellungen. Kommunikative
Einstellungen erwachsen aus der Kommunikationsbiografie eines Menschen
und lassen sich zurückführen auf die zentrale Frage, ob Kommunikation
als Konkurrenz oder Kooperation eingeschätzt wird. Kooperation setzt
Selbstsicherheit voraus. Dominante Einstellungen werden auf psychische Labilität,
integrative auf Stabilität zurückgeführt. Die kommunikative Persönlichkeit
ist nichts Unveränderliches, sondern etwas Erworbenes. Jeder Mensch ist
geprägt von seinen persönlichen Kommunikationserfahrungen von der frühesten
Kindheit an. Deshalb stellt die Kommunikationsbiografie die Basis dar. Interdependenz bei Wirkung und SprechproduktionKeine
der drei Seiten kann man absolut setzen oder gegen die anderen
ausspielen: Wird z. B. nur die äußere Form wichtig genommen, führt es
zu einer reinen Präsentationstechnik, unabhängig von inhaltlichen
Aspekten und der Persönlichkeit; werden nur Inhalt oder Persönlichkeit
betont, gelangt man zu einer kognitiv oder psychologisch beherrschten
Auffassung von Rhetorik. Dagegen wird hier eine umfassende Sichtweise
zugrunde gelegt: Das konkret-beobachtbare Verhalten (Seite 1) repräsentiert
die durch die Kommunikationsbiografie geprägte Sprecher-Persönlichkeit
(Seite 3) und ihre bewussten Entscheidungen für bestimmte Strukturen
auf der Ebene der Tiefenstruktur (Seite 2). Hinsichtlich der Produktion
und Analyse von Kommunikation kann der Ansatzpunkt - je nach Interesse
und Bedürfnissen - jeweils auf einer anderen Seite gewählt werden.
|