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Hausarbeit zum Hörspiel “Zugriff”

 

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Grundidee und Entstehung

2. Der didaktische Hintergrund

3. Handlung und Charaktere

4. Technische Umsetzung

Schluss

Literatur

Einleitung

Eine Hörspielproduktion entpuppt sich erst auf den zweiten Blick als die aufwendige Aufgabe, die sie ist. Es sind viele verschiedene Feinheiten zu beachten. Das gilt gerade bei Hörspielen, die einen didaktischen Hintergrund haben. Die folgende Arbeit befasst sich damit, welche Punkte bei dem Hörspiel “Zugriff” zu beachten waren. Es wird zunächst die Idee beschrieben, die unsere Gruppe zu der Produktion führte, und wie es dazu kam, ein Hörspiel über Selektive Wahrnehmung zu produzieren.

Im folgenden Teil 2. wird der didaktische Hintergrund aufgezeigt. Die Gesamtaussage des Stückes- nämlich dass Selbstwahrnehmung und wahrgenommen werden, grundsätzlich nur allzu oft nicht deckungsgleich sind- wird besprochen.

In Teil 3. wird von der allgemeinen Aussage auf konkrete Charaktere und Strukturen im Hörspiel “Zugriff” verdichtet. Anhand einzelner Beispiele wird gezeigt, wie fehlerhaft die Charaktere sich verhalten, und wie kommunikative Missverständnisse sich im laufe der Handlung entwickeln.

Der letzte Teil befasst sich mit der technischen Umsetzung, die den größten Teil einer Hörspielproduktion ausmacht. Es wird verdeutlicht, wie wichtig eine saubere Umsetzung ist, denn je klarer und realitätsnäher das Hörspiel ist, desto leichter fällt es dem Zuhörer, sich auf die Aussage zu konzentrieren.

 

1. Grundidee und Entstehung

Ziel der Seminargruppe war es, ein eigenes Hörspiel zu schreiben, aufzunehmen, und mit Effekten zu versehen. Die Grundidee ist von dem Buch “Einfach Unwiderstehlich” von Bret Easton Ellis[1] beeinflusst, in dem verschiedene, stets wiederkehrende Charaktere gleiche Erlebnisse schildern. Nach kurzer Zeit bemerkt der Leser, dass Wahrnehmung und Darstellung von Charakter zu Charakter zum Teil stark auseinander tendieren. Letzten Endes setzen sich die Szenen für den Leser aus mehreren Darstellungen zusammen, von denen er keiner zu hundert Prozent vertrauen kann, da keiner der Charaktere omnipotent oder neutral ist.

Das Hörspiel “Zugriff” beschäftigt sich auch mit der Wahrnehmung von verschiedenen Personen. Es beleuchtet kurz die Gedanken, die sich jeder der Auftretenden zu ein und dem selben Abend macht. Am Ende ist der Zuhörer in der Lage, die Handlung für sich selbst zusammenzusetzen. Allerdings muss er dazu die Charaktere einschätzen, und sich überlegen, welche Darstellung am glaubwürdigsten ist, oder seiner eigenen Wahrnehmung am nächsten kommt.

Um diesen Effekt so genau wie möglich umzusetzen, hat unsere Gruppe zunächst ein Gerüst der Geschichte erstellt. Im Vorfeld waren nur Eckpunkte der Handlung festgelegt, und jeder der Sprecher hat einen groben Umriss seiner Rolle erarbeitet, der im wesentlichen auf der Einschätzung seiner Sprechleistung fußte. Eine euphorische Stimme hat einen gutgelaunten, begeisterten Charakter abgegeben, eine eher ruhige, tiefe Stimme einen gelangweilten, besonnenen. Die Räumlichkeiten und der chronologische Ablauf standen fest. Wir haben uns darauf geeinigt, dass die Geschichte an einem Party– Abend spielt, da jeder von uns bereits auf einer ähnlichen Veranstaltung wie der “Zugriff” –Party gewesen ist- außerdem sind gerade Feiern mit Alkohol und vielen Menschen am nächsten Morgen immer unterschiedlich empfunden worden. In der darauf folgenden Woche hat jeder, ohne Kontakt zu einem anderem Sprecher, seinen inneren Monolog mit der Beobachtung seiner eigenen Vorbereitung und Motivation, seinem Hinweg zur Party und seiner Wahrnehmung des polizeilichen Zugriffs verfasst. Berücksichtigt wurden dabei jeweils nur die vorher festgelegten Fixpunkte innerhalb der Handlung, um  Anschlussfehler zu vermeiden. Zuletzt sind die Dialoge entstanden, und sehr genaue Beobachtungen herausgeschnitten worden. Das sollte verhindern, dass die dem Zuhörer gegebene Beschreibung ihm zuwenig Platz für seine Phantasie gibt: Es sollte beispielsweise nicht von einem grünen oder blauen Sofa die Rede sein, sondern von einem Sofa vom Sperrmüll. So hat der Zuhörer die Chance, sich ein Sofa vorzustellen, dass alt und kaputt, oder gut erhalten und “ganz schön” ist. “Zugriff” hat also den Charakter einer Kurzgeschichte, die dem Zuhörer eine Handlung präsentiert, an der er einen großen Teil mitgestalten kann.

2. Der didaktische Hintergrund

Den Namen “Zugriff” hat das Hörspiel bekommen, weil auf zwei Dinge zugegriffen wird. Zunächst ist natürlich der polizeiliche Zugriff auf eine Studentenfeier gemeint, der den Höhepunkt der Handlung darstellt. Aber es wird auch auf die Gedankenwelt der Charaktere zugegriffen. Jeder erzählt (im inneren Monolog) dem Zuhörer, wie er sich selbst einschätzt, und was er von dem Abend erwartet. Diese Monologe geben die Möglichkeit, die auftretenden Personen einzuschätzen, beziehungsweise, sie ein Bisschen kennen zu lernen. Durch die “Allgemeinheit” der einzelnen Charaktere haben sie auch einen gewissen Wiedererkennungswert– der Zuhörer soll sich mit einer der Personen (mehr oder weniger) identifizieren können. Die Geschichte wird nun aus subjektiven Perspektiven erzählt, und der Zuhörer muss selbst entscheiden, wem er glaubt, um die “wirkliche” Handlung zusammenzusetzen. Und durch diese Glaubhaftigkeit wird er dazu gebracht, seine eigene Wahrnehmung zu hinterfragen, denn jeder Charakter hat einen Widerspruch zwischen dem Bild, dass er von sich hat, und dem Bild, dass die anderen Charaktere von ihm haben.

Ein Beispiel ist der Dialog zwischen “Annika” und “Stefan” vor dem Schlafzimmer. Stefan übergeht die Tatsache, dass Annika ihn nicht erkennt, und kommt im Verlauf des Gesprächs sogar zu dem Schluss, dass sein Gegenüber ihn so nett findet, dass sie ihm Zeichen gibt. Er bedankt sich in Gedanken sogar für ein Zeichen, dass er bemerkt haben will. Und erst kurz vor dem Ende des Hörspiels bemerkt er, dass sämtliche kommunikativen Zeichen von ihm falsch gedeutet worden sind. Dazu schreibt Paul Watzlawick:

Es gibt eine Unzahl von Lebenslagen, für deren Bewältigung man auf seine eigene Umsicht und Findigkeit angewiesen ist, da diese Situationen neuartig sind und zu ihrer Lösung keine (oder nur unzureichende) frühere Erfahrungen zur Verfügung stehen.[2]

“Stefan” ist in der neuartigen Situation, mit einer Kommilitonin zu reden, die er sehr gerne näher kennen lernen würde. Zwar kann er bestimmt auf frühere Erfahrungen mit Frauen zurückgreifen, nicht aber diese Frau genau einschätzen.

Dieser Mangel an direkt anwendbarer Erfahrung und die sich daraus ergebende Unfähigkeit, das Wesen der Situation auf Anhieb zu erfassen (also dieser Zustand von Desinformation), führt bei allen Lebewesen zu jener sofortigen Suche nach Ordnung und Erklärung, [...].[3]

Als klar wird, dass “Stefans” Interpretation von “Annikas’” Verhalten falsch war, begreift auch der Zuhörer, dass die Wirklichkeitsauffassung von “Stefan”, aber auch die der anderen Charaktere möglicherweise nicht richtig ist, beziehungsweise, dass sie eigenes und fremdes Verhalten mit den falschen Erfahrungen verknüpft haben. Ihre Probleme liegen also im kommunikativen Bereich, und in der eigenen Einschätzung.

Das Hörspiel “Zugriff” weist also den Zuhörer darauf hin, dass eigenes und fremdes Bild von einem Menschen nicht immer übereinstimmen. Es wird aber auf direkte Hinweise oder gar “Die Moral von der Geschicht’”– Elemente verzichtet, denn ein pädagogischer Erfolg soll aus der Identifikation mit der handelnden Person, und der Erkenntnis von deren Fehlverhalten resultieren. Sobald der Hörer diesen Zusammenhang erkennt, denkt er darüber nach.

3. Handlung und Charaktere

Das Hörspiel “Zugriff” hat den Charakter einer Kurzgeschichte. Es setzt ohne Vorspann ein, um den Zuhörer direkt in die Handlung zu bringen. Lediglich ein “Trenner”, eine kurzes Jingle, dass die Szenen auseinander hält, ist zu Beginn zu hören. Damit wird schon unterstrichen, dass man die Charaktere nur ein kleines Stück, einen halben Abend lang, begleitet.

Eingerahmt ist die Handlung von einem Radiomoderator, der seinen Job nicht leiden kann. Er ist frustriert von den Anrufern. Trotzdem gibt er vor, erfreut zu sein, als “Annika” anruft um Leute für ihre Party einzuladen. Später erzählt sie auch, wie freundlich der Moderator gewesen sei. Es entstehen von Anfang an Gegensätze zwischen der sprechereigenen und der äußeren Wahrnehmung. Im Fall des Moderators ist der Gegensatz bewusst, er verhält sich nicht “ehrlich”, weil es Teil seines Berufes ist, Anrufer zuvorkommend zu behandeln. Anders hingegen sind die Partybesucher. Sie verbringen einen Abend mit ihren Freunden, und in der gesamten Handlung gibt sich niemand die Blöße, jemanden schlecht zu behandeln. “Marcel” hat zum Beispiel keine Lust, nach seinem Urlaub direkt auf eine Party zu gehen, schon gar nicht auf so eine, wie er sie erwartet. Auch auf die Leute scheint er nicht besonders gut zu sprechen zu sein, immerhin hat ihn “Stefan” offensichtlich unter Druck gesetzt zu kommen, und auch noch zu fahren. Und “Nina” hat einen so schlechten Ruf, dass er am liebsten gar nichts mit ihr zu tun haben möchte. Einzig ein Satz weist darauf hin, dass er diese Menschen schätzt– Er  spricht davon, dass ein Wiedersehen mit Freunden nach dem Urlaub Pflichtprogramm sei.

Im Laufe des Abends ändert nicht nur Marcel seine Meinung. Das Schlüsselerlebnis, also der Zugriff der Polizei, versetzt alle in Aufregung, und sie ändern ihr ursprüngliches Verhalten. “Nina” reagiert überheblich auf die hereinkommenden Polizisten, ist jedoch sehr schnell nicht mehr so entspannt, wie sie tut. Ihre vorher als “Loser” bezeichneten Freunde sollen sie bloß nicht alleine lassen. Auch “Thomas” wird von “Stefan” anfangs geschnitten, der denkt, dass der “Typ” ihm einfach aus dem Weg gehen soll. Er scheint ihn nicht einmal zu erkennen. “Thomas” hingegen erwähnt, dass “Stefan” in letzter Zeit seine Nähe suche. Wahrnehmung und Wahrheit tendieren auseinander. Erst, nachdem die Polizei da war, und “Stefan” erfahren hat, dass “Annika” in festen Händen ist, besinnt er sich, und betrinkt sich mit “Thomas”. Es liegt also in der Hand des Zuhörers, zu entscheiden, ob “Stefan” verlogen ist, oder sich entwickelt.

Sogar “Kommissar Horst” ist äußerlich jemand anderes. Seine Männer sind ruhig, und merken nicht, wie aufgeregt er ist. Bis auf den betrunkenen “Stefan” untergräbt auch niemand seine Autorität. Nachdem er herausgefunden hat, dass er einen Fehler gemacht hat[4] merkt man an seiner Stimme, dass er frustriert ist. Er lässt es jedoch vollkommen unkommentiert, und es folgt bewusst keine Szene, in der er sich rechtfertigt. Lediglich in den Nachrichten am Ende bekommt der Hörer einen Denkanstoß, wie “Horsts” Abend weiter verlaufen sein könnte.   

Zuletzt spricht der Radiomoderator die Nachrichten, und erzählt von einer kuriosen Verwechslung der Polizei. Die Geschichte begibt sich also wieder auf die “Oberfläche”, unter die der Zuhörer einen Abend lang blicken durfte. Das Hörspiel “Zugriff” ist also eine medial eingeschachtelte Kurzgeschichte über Selektive Wahrnehmung.

4. Technische Umsetzung

Die Technische Umsetzung erwies sich als durchaus kompliziert. Es wurden ausschließlich Geräusche und musikalische Einspieler verwendet, deren Rechte bei uns lagen oder die uns mit freundlicher Genehmigung der Künstler zur Verfügung gestellt wurden.[5] Die Rohfassung des Hörspiels wurde zunächst zerschnitten, da sie im Hochschulradio Düsseldorf nicht in der endgültigen Reihenfolge eingesprochen wurde. Lediglich die Dialoge sind schon in endgültiger Form aufgenommen worden, da sie sonst “tot” geklungen hätten. Danach sind die einzelnen Takes in eine vorläufige, dem Textbuch folgende Reihenfolge gebracht worden. An dieser Stelle sind einige Änderungen entstanden, da beim ersten Probehören noch Anschlussfehler entdeckt worden sind. Mit dem Programm Cubase VST 5.0 sind daraufhin die Effekte von Cd eingespielt worden. Dafür sind mehrere eigene Tonspuren verwendet worden.

Zuletzt sind einzelne Szenen durch auffällige und weniger auffällige “Trenner” eingeteilt worden. Das bedeutet, dass dem Hörer durch ein akustisches Signal ein Ortswechsel, ein Sprung in der zeitlichen Reihenfolge oder auch ein Wechsel der sprechenden Person verdeutlicht wird. Bei einem größeren “Sprung” ist ein längerer Trenner verwendet worden, bei kleineren ein entsprechend unauffälligerer.

Die inneren Monologe, die die Charaktere führen, sind durch einen Halleffekt verdeutlicht. Der Zuhörer hat das Gefühl, allein mit dem Sprecher zu sein, denn eine Stimme mit Hall lässt sich mit einer Einsamkeitssituation assoziieren, etwa in einem Kirchengewölbe oder ähnlichem. Alle anderen Gespräche haben diesen Hall nicht, sondern sind, um den Zuhörer direkt an das Geschehende heranzubringen, zum Beispiel von Musik überlagert. Auf der Party zum Beispiel, werden räumliche Positionen durch verschiedene Lautstärken der Musik dargestellt. Während die Gruppe auf die Wohnungstür zugeht, wird die Musik lauter. Auch im Raum selbst ist die Musik bei keinem Gespräch gleich Laut, damit der Zuhörer das Gefühl bekommt, dass jedes Sprecherpaar unterschiedlich weit von der Musikquelle entfernt steht.  

Die Technische Umsetzung ist besonders wichtig für uns gewesen. Jeder hat schon einmal ein Hörspiel gehört, angefangen von Benjamin Blümchen bis hin zu den Drei Fragezeichen oder Hörspielen für Erwachsene. Es schien uns also zwingend notwendig, einen hohen Standart zu erfüllen, um nicht durch Fehler, schlechte oder unpassende Effekte den Zuhörer aus dem Fluss der Handlung aufzuschrecken. Gerade, wenn das Hörspiel lehrreich sein soll, ist es wichtig, die Atmosphäre so realitätsgetreu wie möglich aufzubauen.   

Schluss

Das Hörspiel “Zugriff” befasst sich mit der selektiven Wahrnehmung einer Gruppe von Menschen und stellt einen Abend dar, an dem durch eben diese Wahrnehmung eine Reihe von Ereignissen entsteht. Die Kernaussage ist, dass jeder, ob durch fehlende selbstkritische Haltung, oder durch gesellschaftliche Automatismen, ein anderes Bild von sich selbst entwirft, als er wirklich abgibt. Um dieses kommunikative Problem so genau wie möglich darzustellen, ist ein relativ allgemeines Ereignis gewählt worden, das jeder der Zuhörer zumindest ähnlich sicherlich schon einmal erlebt hat. Umgesetzt wurde es, indem man den Zuhörern eine möglichst breit gefächerte Auswahl relativ allgemeiner Charaktere gab, um sich selbst darin zu erkennen. Die Effekte sollen das Hörspiel so realistisch wie möglich gestalten, um dem Zuhörer zu ermöglichen, sich so genau wie möglich auf die Handlung zu konzentrieren.

Literatur

Bret Easton Ellis: “Einfach unwiderstehlich”, 1. Auflage 2001, Kiepenheuer und Witsch, Köln

 

Paul Watzlawik: “Wie wirklich ist die Wirklichkeit?”, 27. Auflage, Mai 2001, Pieper Verlag GmbH München

 

Eckhardt Meyer – Krendler: “Arbeitstechniken Literaturwissenschaft”, 7. unveränderte Auflage. 1997, Wilhelm Fink Verlag, München

 

Henning Geisel



[1] Ellis, Bret Easton: “Einfach Unwiderstehlich”,  1. Auflage 2001, Kiepenheuer und Witsch Köln,

[2] Paul Watzlawik: “Wie wirklich ist die Wirklichkeit”, S. 58

[3] Watzlawik, Paul: “Wie wirklich...”, S. 58

[4] “Kommissar Horst” erfährt über Funk, dass er den Namen verwechselt hat. Leider ist dies die einzige Stelle im Hörspiel, bei der die technische Umsetzung fehlerhaft ist. Es war nicht möglich, etwa ein “Knacken” des Funks zu finden.

[5] Besonderer Dank gilt hier Christian Müller, der für Geräusche und elektronische Musik verantwortlich, sowie bei Schnitt und Masterung maßgeblich beteiligt war. Auch Andreas Simon hat uns freundlicherweise die Musik seiner Band Sub Simplex zur Verfügung gestellt und bei Aufzeichnung und Endmischung geholfen.