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Gesprächsanalyse und Untersuchung zu Füllwörtern und Partikeln in einem Dialog von Günther Jauch und Ralf Schumacher

 

Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Hauptteil

2.1 Theoretischer Hintergrund

2.1.1 Partikeln / Füllwörter

2.1.2 Kommunikation und ihre Regeln

2.1.3 Wilhelm M.J. Levelt´s Sprachproduktionsmodell

2.1.4 Jan-Peter de Ruiter´s Sketch-Modell

2.1.5 Sprech-, Stress- und ÄH-Typen

2.2 Transkription

2.3 Analyse

2.3.1 Günther Jauch

2.3.2 Ralf Schumacher

2.3.3 Moderator und Sportler im sprachlichen Vergleich

3. Zusammenfassung

 

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit setzt sich mit dem Auftreten von Füllwörtern und Partikeln in spontaner Rede auseinander. Dies wird untersucht anhand eines Dialogs zwischen dem Rennfahrer Ralf Schumacher und dem Fernsehmoderator Günther Jauch in dessen RTL-Sendung „Menschen, Bilder, Emotionen„ vom 09.12.2001.

Im Hauptteil wird erst der theoretische Hintergrund zur Gesprächsanalyse erarbeitet, der folgende Schritt besteht in der Transkription des aufgezeichneten Interviews. Dabei wird zwar der gesamte Dialog verschriftlicht, die ausführliche Transkription beschränkt sich jedoch auf einige ausgewählte Passagen. Auf diesem Abschnitt der Seminararbeit baut die anschließende Konversationsanalyse auf. Sie beinhaltet unter anderem Auffälligkeiten in der Sprache der einzelnen Personen als auch Unterschiede bezüglich Partikelanwendung, Redefluß etc. im Vergleich. Ein Teil der Ergebnisse dieses Arbeitsschritts wird zur besseren Übersicht auf den beigefügten Tabellen „Wo treten ÄHs auf?„ präsentiert. Eine Typisierung der beiden Personen bezüglich ihrer Sprache soll deshalb nicht vorgenommen werden, weil die Aufzeichnung nicht repräsentativ für das generelle Sprech- und Stressverhalten der beiden sein kann.

In der Zusammenfassung werden schließlich die wichtigsten, verallgemeinerbaren Ergebnisse der Analyse präsentiert.

 

2. Hauptteil

2.1 Theoretischer Hintergrund

2.1.1 Partikeln / Füllwörter

In der gesprochenen Alltagssprache erfüllen Partikeln vielfältige Aufgaben und können aufgrund dessen in verschiedene Subklassen eingeteilt werden. Unter anderem geben sie den Grad oder die Intensität an oder spiegeln die Einstellung des Sprechers zum Gesagten wider. Nicht zuletzt in der Gesprächsführung, wie im folgenden deutlich werden soll, spielen die unflektierbaren Partikeln eine wichtige Rolle. In der neueren Partikelforschung, beispielsweise bei Weydt, werden sie folgendermaßen definiert: Partikeln sind „nicht flektierende, nicht satzgliedhafte Wortklassen, die keine (oder wenig) selbständige lexikalische Bedeutung aufweisen, aber die Bedeutung ihrer jeweiligen Bezugselemente modifizieren.„[1] Im Zusammenhang mit dem Thema der vorliegenden Arbeit sind vor allem Füllwörter wie „äh„, „ähm„ etc. und die sogenannten Abtönungs- bzw. Modalpartikeln von Bedeutung, weil sie an dialogischen Zusammenhängen maßgeblich beteiligt sind.[2] Hentschel führt 18 dieser Partikeln an, mit denen der Sprecher seiner Einstellung zum Inhalt der eigenen Äußerung Ausdruck verleihen kann: aber, auch, bloß, denn, doch, eben, eigentlich, einfach, etwa, erst, halt, ja, mal, nur, ruhig, schon vielleicht, wohl.[3] Besondere Aufmerksamkeit verdient die Tatsache, daß viele der genannten Wörter Homonyme in anderen Wortklassen aufweisen; diese fungieren, im Gegensatz zu den Partikeln, nicht auf der Intentions-, sondern der Darstellungsebene. Hinzu kommt die mögliche Bedeutungsänderung der Partikeln durch unterschiedliche Betonung. Sowohl ein unbetontes ja, als auch die betonte Variante kennzeichnen die Haltung des Sprechers zum Gesagten: vgl. „Du hast ja recht.„ vs. „Komm nicht zu spät!.[4]

Zu den syntaktischen Eigenschaften der Partikeln ist zu sagen, daß ihre Verwendung keine Auswirkung auf die Stellung der übrigen Satzglieder hat und sie nahezu völlig frei im Satz beweglich sind. Was die Satzbetonung betrifft, scheinen Partikel jedoch eine Veränderung bewirken zu können, was unter anderem die Hervorhebung bestimmter Satzteile hervorrufen kann. Dafür spricht auch die These, daß Partikeln immer vor dem Satzteil stehen, dem der höchste Mitteilungswert zukommt, dem Rhema. Hentschel führt in diesem Zusammenhang zwei Regeln zur Stellung der Partikeln im Satz ein:

1.      Die Partikel steht vor dem Rhema des Satzes.

2.      Bildet das flektierte Verb das Rhema, so kann die Partikel die letzte Stelle im Satz einnehmen.[5]

2.1.2 Kommunikation und ihre Regeln

An dieser Stelle soll nur auf einige wenige, aber grundlegende Regeln der Kommunikation und die Kommunikationseinheit „Gespräch„ eingegangen werden:[6]

Vom Gespräch nimmt man an, daß Äußerungen grundsätzlich intentional und partnerorientiert sind, oder wie Humboldt es ausdrückt: „Es liegt aber in dem ursprünglichen Wesen der Sprache ein unabänderlicher Dualismus, und die Möglichkeit des Sprechens selbst wird durch Anrede und Erwiderung bedingt.„[7] Henne und Rehbock legen in diesem Zusammenhang „Anrede und Erwiderung als universale Kategorien dialogischen Sprechens„ fest.[8]

Gekennzeichnet werden Gespräche durch den Sprecherwechsel, überraschend ist dabei meist auffällig geordnete Übergang von einem Sprecher zum nächsten mit präziser zeitlicher Abstimmung und wenig Überlappung. Der Sprecherwechsel wird auch „turn-taking„ genannt, wobei „turns„ die einzelnen Redebeiträge bezeichnen. An sogenannten „TRPs„ – transition  relevance places – ist  das Ende einer Redeeinheit erreicht, es besteht dann die Möglichkeit des Sprecherwechsels, und zwar unter folgenden Regeln:

1. a) Wählt ein Sprecher im laufenden Beitrag einen anderen aus, muß er selbst zu sprechen aufhören und der ausgewählte Nächstes muß als nächster sprechen, wobei der Übergang beim ersten TRP nach der Selektion erfolgt.

b) Wählt ein Sprecher keinen bestimmten nächstesn aus, so kann sich jede andere Partei selbst wählen, wobei der 1., der spricht, das Recht auf den nächsten Beitrag gewinnt.

c) Hat ein Sprecher niemand nächsten ausgewählt, und sich keine andere Partei unter Option b) selbst gewählt, so kann der Sprecher selbst weiterfahren (muß aber nicht), d.h. eine weitere beitragsbildende Einheit beanspruchen.

2. Wurde Regel 1c) vom Sprecher angewandt gelten beim nächsten TRP und rekursiv bei jedem nächsten TRP die Regeln 1a)-c) bis ein Sprecherwechsel erfolgt.

Diese Regeln bilden auch die Basis für die Unterscheidung zwischen unbeabsichtigtem Simultansprechen und erzwungener Unterbrechung. Überlappungen kommen z.B. als konkurrierende Redebeginne oder dann vor, wenn TRPs aus systematischen Gründen falsch projiziert worden sind, z.B. nach Vergewisserungsfragen.

Beim Simultansprechen setzt deshalb schnell folgendes Lösungssystem ein:

1.   Ein Sprecher hört schnell auf, wenn Simultansprechen vorkommt.

2.   Ein Sprecher wiederholt, sobald er wieder richtig gehört / verstanden werden kann, genau den Teil seines Beitrags, der durch das simultane Sprechen unverständlich wurde.

Hört ein Sprecher beim Simultansprechen nicht sofort auf zu reden, ist ein konkurrenzierendes Zuschreibungssystem verfügbar, das grob auf der Basis Silbe zu Silbe funktioniert: Der Sprecher, der am meisten „eskaliert„, gewinnt die Sprecherrolle; dabei kann er die Stimmfrequenz erhöhen, das Sprechtempo verlangsamen, Vokale dehnen etc..

Sprecherwechsel bei face-to-face-Gesprächen scheinen oft unter anderem mit dem Blickkontakt zusammenhängen: während des Sprechens bricht der Sprecher den Blickkontakt ab und nimmt ihn gegen Ende des eigenen Beitrags wieder auf.

Eine weitere lokale Lenkungsorganisation im Gespräch sind Nachbarschaftspaare, wie zum Beispiel Begrüßungen Der Begriff stammt von Schlegloff & Sacks[9]: „Nachbarschaftspaare sind Sequenzen von 2 Äußerungen, die i) nebeneinander stehen, ii) von verschiedenen Sprechern produziert werden, iii) als 1. Und 2. Teil geordnet sind, iv) so typisiert sind, daß ein bestimmter 1. Teil einen bestimmten 2.Teil (oder mehrere Teile) verlangt.„

Der Gebrauch der Paare wird durch diese Regel gesteuert: „Hat der derzeitige Sprecher den ersten Teil eines Paares produziert, so muß er zu sprechen aufhören, und der nächste Sprecher muß an diesem Punkt einen zweiten Teil für dasselbe Paar produzieren.„ Weniger erwünschte Teile eines Nachbarschaftspaares werden z.B. durch ein Zögern markiert, Pausen können also in manchen Fällen als Einleitung einer nicht-bevorzugten Antwort gehört werden. Manche Analytiker betrachten Pausen als Belege für verbale Planung.

Wichtig für Kommunikation jeglicher Art sind die Konversationsmaxime von Grice, die Qualität – das, was gesagt wird, muß wahr sein –, Quantität – der Beitrag soll so informativ wie erforderlich sein –, die gegenseitige Beziehung der Sprecher – es soll nur Relevantes gesagt werden – und die gewünschte Verhaltensweise während eines Gesprächs – daß man verständlich spreche – festhalten.[10]

2.1.3 Willem J. M. Levelt´s „Sprachproduktionsmodell"

Der gezielte Einsatz von Sprache wird nach Levelt von diversen Verarbeitungsschritten der Information gesteuert, die er in seinem „Sprachproduktionsmodell„ zusammengefaßt hat. Dieses soll im folgenden in groben Zügen vorgestellt werden.

Levelt geht bei jedem Sprecher von folgenden Komponenten des jeweiligen „Bauplans„ bzw. „Entwurfs„ aus:[11] i) der „Conceptualizer„, der die preverbalen Aussagen / Mitteilungen generiert. Letztere bestehen aus einer begrifflichen Information, deren Ausdruck in der Realisierung der Intention des Sprechers besteht.

ii) der „Formulator„, der aus zwei Subkomponenten besteht: der grammatische „Encoder„ holt Lemmas aus dem Lexikon und generiert grammatische Relationen, die die begrifflichen Relationen in der Mitteilung widerspiegeln. Den resultierenden Output nennt Levelt „surface structure„, Oberflächenstruktur. Der „Phonological Encoder„ ist für den phonetischen Plan und die „internal speech„ zuständig, beides basiert auf der Oberflächenstruktur. Die phonologische Enkodierung hat Zugang zu der Information über die Formen im Lexikon und beinhaltet auch die Generierung der Prosodie für eine entsprechende Äußerung.

iii) der „Articulator„, der den phonetischen Plan als eine Serie von neuromuskularen Instruktionen auseinanderfaltet und ausführt. Die daraus resultierenden Bewegungen der Artikulationsorgane erzeugen das Sprechen.

iv) Das „Speech-Comprehension System„, welches sowohl selbst-produzierte „innere„ als auch die offene Sprache dem „conceptualizer„ zugänglich macht. Dadurch ist es jedem Sprecher möglich, sich selbst beim Sprechen zu beobachten und ggf. zu korrigieren, was der Begeriff „self-monitoring„ bezeichnet.

Levelt nimmt an, daß jede Komponente auf ihren jeweiligen Schritt spezialisiert ist und daß die meisten von ihnen kein feedback der anderen für den eigenen Ablauf benötigen. Der von Kempen und Hoenkamp eingeführte Begriff des „inkrementellen Vorgangs„ kann auch bezüglich des von Levelt entworfenen Modells angewendet werden: er bezeichnet parallel und seriell ablaufende Vorgänge, die sich schrittweise von der Wahrnehmung einer Äußerung bis zur Artikulation der eigenen Äußerung vollziehen. Vorläufige Repräsentationen wie die Oberflächenstruktur oder der phonetische Plan haben ihre jeweils eigenen Einheiten, es gibt während der Prozesse der Sprachproduktion keine gemeinsame Einheit. Deshalb werden diese Repräsentationen immer zwischengespeichert und bei Bedarf zur weiteren Verarbeitung „hervorgeholt".

2.1.4 Jan-Peter de Ruiter´s „Sketch-Modell"

De Ruiter´s Sketch-Modell[12] berücksichtigt den Zusammenhang von Gestik und Sprachproduktion, wodurch ihm eine Weiterentwicklung von Levelt´s eben vorgestelltem „Sprachproduktionsmodell„ gelang. Es besagt in seiner modifizierten Form, daß während der Vorbereitung und Planung von Äußerungen ebenso die Gesten vorbereitet und geplant werden müssen. Das Modell basiert auf der Annahme, daß Gesten kommunikative Funktion haben und es sich deshalb nicht nur um ein Begleitphänomen der Rede handelt.

Die Grundstufen der beiden Modelle sind im wesentlichen gleich: de Ruiter fügte dem ursprünglichen hinzu, daß die Sprachproduktion erst beginnt, wenn der Gestik-Planungs-Prozeß beendet ist und ein Signal an die Konzeptualisierung gesendet wurde. Anschließend erfolgt wie gehabt die geplante Sprachäußerung, die entsprechende Gestik wird auf separatem Weg in Form eines „motorischen Programms„ ausgeführt. Daß Gestik und Sprachäußerung eng zusammenhängen beziehungsweise sich aneinander anpassen, zeigt die Tatsache, daß Gesten vor dem Sprechbeginn eines Wortes einsetzen und die Geste länger und langsamer wird, je später die betonte Silbe einsetzt. Dies gilt ebenso nach oder bei Versprechern und Unterbrechungen. Ein verspätetes Einsetzen der Rede wird zum Beispiel durch ein verspätetes Einsetzen der Geste oder durch deren langsamere Ausführung kompensiert. Die Dauer der Unterbrechung / Verzögerung wird durch längeres Aushalten der Zeigehand ausgeglichen. Diese Geste wird also gehalten bis die Konzeptualisierung das Feedback erhält, daß die Sprechproduktion erfolgreich ist. Allgemein ist es so, daß es für die Gestik-Planung völlig ausreicht, über die annähernde Verzögerung beim Onset der Rede informiert zu sein, damit das Bewegungsprogramm entsprechend angeglichen werden kann.

Die Gründe für die Berücksichtigung von Gestik bei der Sprachproduktion liegen vor allem in der Beobachtung, daß Menschen ausschließlich beim Sprechen, nicht aber beim Zuhören gestikulieren; außerdem steht die Bedeutung der Gesten, soweit sie identifiziert werden kann, in direkter Beziehung zur sprachlichen Äußerung. Mc Neill (1992) nahm diesbezüglich eine Klassifizierung der unterschiedlichen Gesten vor:[13]

Deiktische Gesten: dabei handelt es sich vornehmlich um Zeigen / Verweisen auf einen bestimmten Ort bzw. in eine bestimmte Richtung. Im Deutschen wird dafür häufig der Zeigefinger benutzt.

Embleme: Gesten, die eine bestimmte, konventionalisierte Bedeutung haben, wie zum Beispiel Daumen nach oben = OK.

Beats / taktschlagende Gesten: sie bestehen in rhythmischen Auf- und Abbewegungen der Hand, die scheinbar keine Bedeutung im eigentlichen Sinn besitzen. Vermutlich hängen sie mit der Phonologie des Gesprochenen zusammen, bisher konnte dies allerdings nicht überzeugend nachgewiesen werden.

Ikonische Gesten: Sie besitzen eine bedeutungsvolle Beziehung zum Inhalt der Äußerung. Ein Beispiel dafür ist eine Spiralbewegung des Zeigefingers, wenn man über einen Strudel spricht.

Für Gestik im allgemeinen gilt, daß sie sehr spontan erfolgt und nicht nur von Sprecher zu Sprecher verschieden ist; ein Sprecher kann in seiner eigenen Gestik variieren, wenn er über ein- und dieselbe Sache spricht.

Der Gestik kommt nach de Ruiter die Aufgabe zu, den Sprachprozeß zu erleichtern, indem sie den Zugang zu Repräsentationen in der Erinnerung vereinfacht. Dieser Ansatz wird als Zugriff-Abruf-Hypothese bezeichnet.

Sie wird nach de Ruiter durch die Ergebnisse seines Experiments bestätigt. Dabei ließ er  Versuchspersonen Bilder mit verschiedenen geometrischen Figuren so beschreiben, daß sie von anderen Testpersonen gezeichnet werden konnten. Die Beteiligten konnten sich gegenseitig nicht sehen, um die Gestik zur Verständigung zu unterbinden. Ein Teil der Bilder sollte dabei aus dem Gedächtnis, der andere direkt von der Vorlage beschrieben werden, außerdem wurden verschiedene Schwierigkeitsstufen gewählt. Ergebnis der Untersuchung war, daß die Versuchspersonen bei der memorierten Wiedergabe der Bilder mehr gestikulierten. Außerdem bestand kein Unterschied in der Häufigkeiten der Gesten zwischen den leichter und den schwerer zu beschreibenden Bildern.  

Nach de Ruiter ist nur auf einer frühen Stufe der Planung, der Konzeptualisierung, eine Interaktion zwischen Gestik und Äußerung möglich, dies spräche für die Zugriff-Abruf-Hypothese und für das „Sketch-Modell".

2.1.5 Sprech-, Stress- und ÄH-Typen

Es sollen in diesem Zusammenhang verschieden Sprech- und Stress-Typen vorgestellt werden, weil sie in ihrer Vielfalt widerspiegeln, daß das Sprachverhalten der Menschen so individuell ist wie die gesamte Persönlichkeit. Eine Klassifizierung Jauchs und Schumachers auf der alleinigen Basis des aufgezeichneten Interviews wäre wahrscheinlich übereilt und nicht repräsentativ, weshalb sie entgegen früherer Überlegungen nicht in dieser Arbeit vorgenommen werden soll.

Erich Drach, Begründer der modernen Sprecherziehung und Sprechwissenschaft hat in seiner didaktischen Sprechausdruckstypologie neben einem Mitteltyp vier weitere, vereinseitigende Typen festgestellt, die bei Übersteigerung zu folgenden Sprechstörungsbildern tendieren:[14]

Typ I ist gekennzeichnet durch Ausdrucksstärke mit Ausdrucksdrang / Leichtigkeit; bei übersteigertem Drang: Poltern.

Typ II zeichnet sich durch Ausdrucksstärke mit Ausdruckshemmung aus; wird letztere übersteigert, tendiert dieser Typ zum Stottern unter Willensdruck / gepresstem Sprechen.

 Typ III neigt zur Ausdrucksschwäche mit Ausdrucksdrang / Leichtigkeit; bei übersteigertem Drang spricht er überhastet oder schwatzhaft mit wenig Hörerbezug. Auch lasche Spannung, mäßiges Sprechen, mattes Hauchen oder verwaschene Artikulation gehören zu den charakteristischen Eigenschaften dieses Sprechtyps.

Typ IV ist fällt ebenfalls durch Ausdrucksschwäche auf, allerdings mit Ausdruckshemmung; bei übersteigerter Hemmung stottert er unter Minderwertigkeitsgefühlen.[15]

Die Stress-Typen werden in nur zwei Tendenzen aufgeteilt, ihre Charakterisierung wird durch folgende Hypothesen vorgenommen:[16]

Typ I: Starre-Stress-Typen, bei denen in Gesprächen mehr ÄHs auftreten als in Reden, weil sie als Gesprächsteilnehmer weniger kontrolliert sprechen, sich demnach in der Gruppe wohler fühlen und dadurch unkontrolliert und laut sprechdenken.

Typ II: Flucht-Stress-Typen, die sich durch mehr ÄHs in Reden als in Gesprächssituationen auszeichnen. Ihnen ist die Rede-Situation unangenehm, weshalb sie sie schnellstmöglich hinter sich bringen wollen. Dies hat zur Folge, daß sie nur wenige Sprechpausen einlegen und die „unvermeidlichen„ mit ÄHs und anderen Füllwörtern füllen.

Die Einteilung in diesen zwei Tendenzen baut auf der Beobachtung auf, daß manche Redesituationen Stress hervorrufen, der zu Denkblokaden führen und dadurch die Sprachproduktion beeinträchtigen kann. Menschen reagieren sehr individuell auf Stress: manche positiv mit sogenanntem „EU-Stress„, von dem sie sich beflügelt und motiviert, also durch die Situation positiv herausgefordert fühlen, andere reagieren mit negativem „DYS-Stress„, der sie, wie oben erwähnt, erstarren oder sich überaktiv / „fluchtartig„ verhalten läßt.

Allgemein lassen sich bei Share-Stress-Typen weniger ÄHs feststellen als bei Flucht-Stress-Typen, deren gesamtes Verhalten auch auffälliger ist als das der anderen Gruppe.

Die letzte Typisierung, die der ÄH-Typen, werden auf Basis der mündlichen Sprachproduktion in vier bzw. fünf verschiedene Typen eingeteilt:[17]

a)     Polter-Typ: er  macht sehr viele ÄHs und andere Füllwörter, zeichnet sich unter anderem durch viele Versprecher, schnelles Sprechen mit Polter-Tendenz aus, er hat viel motorische Energie, dennoch oft fehlende oder ungestaltete Gestik. In bestimmten Sprechsituationen kann er sich mehr oder weniger gut kontrollieren: mit etwas Übung kann er langsamer, weniger überstürzt und mit weniger Füllwörtern sprechen.

b)     Kopf-Typ: seine ÄHs stehen vor allem zwischen Syntagmen, er hat Angst vor Sprechpausen, da er einem falschen / überzogenen Ideal der flüssigen Sprachproduktion nacheifert. In Stress-Situationen, z.B. während einer Rede, kann bei starkem Willen und Übung, für begrenzte Zeit kontrolliert und mit weniger ÄHs gesprochen werden. Oft fehlt diesem Typ eine kontinuierliche rhythmisch-taktierende Gestik.

c)      Normaltypen: zeichnet sich, situationsabhängig, durch vermehrtes oder geringeres Auftreten von ÄHs aus. Abhängig vom individuellen Temperament wird mehr oder weniger gestikuliert.

i)                    Motoriker: unterdrückt er den eigenen Bewegungsdrang, treten sehr viele ÄHs auf.

ii)                  Bewegungsarmer Normaltyp: macht weniger ÄHs, aber bei Problemen während der Konzeptualisierung / Wortfindung treten Verzögerungspartikel auf, die wegen des oft harten Stimmeinsatzes sehr auffällig sind.

d)     Ohne-ÄH-Typ: seine Sprache ist charakterisiert durch gute, sinnbezogene Pausen; seine Haltung ist grundsätzlich offen, Gestik wird immer funktional eingesetzt und er hat keine Angst vor Wortsuchpausen. Selbstbewußt nimmt sich dieser Typ die zum Formulieren notwendige Zeit, wobei er sich nicht unter Druck setzen läßt und auch in stressigen Situationen authentisch bleibt. Die Häufigkeit von Gesten ist abhängig von Temperament und motorischer Veranlagung.

e)     Gewöhnungstyp: er tritt sicher auf, spricht langsam, hat sich aber bis ins hohe Alter hinein viele ÄHs und andere Füllwörter in seiner Sprache angewöhnt.

2.2 Transkription

In der folgenden Transkription des Interviews von Günther Jauch und Ralf Schumacher im Jahresrückblick 2001 „Menschen, Bilder, Emotionen„ wird das gesamte Gespräch verschriftlicht, wobei die einzelnen Zeilen zur besseren Übersicht und zur Erleichterung der anschließenden Konversationsanalyse durchnumeriert werden. Die ausführliche Transkription beschränkt sich auf die Passagen der Zeilen 1-38, 57-124 und 141-162. Die Anzahl und Art der ÄHs bzw. auch ÄHMs bei Ralf Schumacher findet sich in den Tabellen „Wo treten ÄHs auf?„ im Anhang.

Legende der verwendeten Zeichen

Ø      ´: kurze Pause, Stimme bleibt oben

Ø      `: kurze Pause, Stimme wird abgesenkt

Ø      /: längere Pause, Stimme bleibt oben

Ø      \: längere Pause, Stimme wird abgesenkt

Ø      besondere Betonung: Unterstreichen der Wörter bzw. Wortteile

/...sec./: lange bzw. sehr lange Pause

Ø      Sprechtempo: wird anhand des jeweils längsten Gesprächsschritts für die einzelnen Personen getrennt ermittelt und separat unter der Transkription aufgeführt.

Überlappungen tauchen im Dialog nur da auf, wo sie explizit schriftlich aufgezeigt werden, die anderen Sprecherwechsel verlaufen also "glatt".

 

Transkription

1 Jauch: Kannten Sie diese Dinger /

2 Schumacher: Nein ich hab sie auch eben ´ erst das erste Mal gesehen ja ` es hört sich aber

3 ver ´ verblüffend echt an

4 Jauch:           Gut ne ´

5 Schumacher:      Muß man sagen ja `              (gleichzeitig)

6 Jauch: also ` danke ´ es is wenn man Erwachsenen ein Spielzeug gibt ` ja ja nich ´ also ich

7 kannte die ´ ich kannte die die Dinger auch nich ´ sondern ´ sondern uns ist das eben in so

8 einem Film über die Formel 1 ´ äh äh aufgefallen ` (Atemzug) aber es sss klingt wirklich

9 perfekt ` war es für Sie auch ein perfektes Jahr ´ dieses Jahr 2001 \

10 Schumacher: (Atemzug)  also ich würde sagen es war ´ äh schon irgendwo ein perfektes

11 Jahr ` (Atemzug) zum Ende hin ´ waren die Ergebnisse nicht mehr ganz so wie ich sie mir

12 gewünscht habe ` (Atemzug) auch aus Eigenverschulden klar ` (Atemzug) aber gut ähm da

13 arbeitet man natürlich fürs nächste Jahr dran ` (Atemzug) aber ich glaube wir können

14 voller Optimismus in die ´ in die nächste Saison gehen ` (Atemzug) und schauen was dabei

15 rumkommt / 

16 Jauch: Drei Siege darunter (Atemzug) der am Hockenheimring der sicherlich was ganz

17 besonderes is ´ (Atemzug) letztes Jahr ´ dachten wir ja daß diese Ferrari-Nummer mit den ´

19 äh mit den  drei Reifen daß das also ´ (Atemzug) sozusagen das Höchste is was man so

20 bringen kann ´ (Atemzug) aber die Nummer mit den Klötzchen bei Ihnen war auch nich

21 schlecht ` also (Atemzug)  muß ich wirklich sagen ´ wie is das eigentlich /5 sec./

22 (klatschen) wie sie da gestanden ham / 2 sec./ realisiert man das in dem Moment selbst und

23 merkt oh scheiße ´ oder ham Sie gedacht ´ ich kann fahren /

24 Schumacher: Naja also ` wir haben das schon realisiert und die wurden auch nicht

25 vergessen ´  das war also nicht der Fall ` (Atemzug) ähm aber wir hatten wenigstens vier

26 Reifen am Auto ` also aber (Atemzug) war auch das auch das kann passieren deshalb

27 haben wir da auch nie drüber gelacht das kann wirklich jedem passieren aber bei uns wars

28 so ´ (Atemzug) es sieht natürlich sehr witzig aus wir habens auch gestern bei uns wir

29 hatten die Weihnachtsfeier gestern auch nochmal ` (Atemzug) aufm äh ´ auf der Leinwand

30 und alle habn auch gelacht sogar die Mitarbeiter (Atemzug) ` es war also so daß ähm wir

31 kurz vorm Start festgestellt hatten daß ein neuer (Atemzug) ´ wir hatten einen neuen

32 Heckflügel ´ und und der wurde durch die Auspuffabgase (Atemzug)  aufgefressen ` und

33 dann hattn wer aus Sicherheitsgründen diesen Heckflügel wechseln wollen ´ und bis

34 fünfundvierz oder bis zu einer gewissen Zeit (Atemzug) vor dem Start darf man nicht mehr

35 ans Auto ran ` (Atemzug) und der Teammanager hat in all dieser Panik hat er hat er ehee

36 ´etwas den Überblick mit seiner Uhr verloren ´ und hat er gesagt alle müssen vom Auto

37 run weg ´ (Atemzug) und deshalb kam wer nich mehr dazu die Böcke unterm Auto

38 wegzuholn ´ also wir ham es nicht vergessen `

39 Jauch:                                    Also \    (Überlappung)

40 Schumi: es is auch meinen Mechanikern aufgefallen daß es Auto auf einmal höher lag ja ´

41 (Überlappung vom Ende von „also„ und Anfang von „es„)

42 Jauch: Und das is auch nicht so daß jetzt äh irgendein irgendein ein Klötzchenschieber

43 dann äh praktisch da entlassen wird oder was

44 Schumacher: nein

45 Jauch: da übernehmen dann alle die Verantwortung für so ne Geschichte

46 Schumacher: Also zuerst ist es so wo gehobelt wird fallen auch Späne und äh also es Team 47 hat sich wirklich die letzten Jahre nichts zu schulden kommen lassen bis auf Kleinigkeiten 48 und ich sag mal klar das das passiert einfach und und äh sie ham ihr Bestes gegeben sie

49 ham versucht mein Leben zu retten in dem man den Flügel gewechselt hat und wirklich

50 auch das Risiko eingegangen is eben nicht zu starten da hat man also auf das auf diese

51 Punkte sag ich mal oder auf die gute Startposition verzichtet aufgrund meiner Sicherheit

52 und das sagt ja schon alles

53 Jauch: Wie gehts David

54 Schumacher: Dem geht´s hervorragend der is also eben auch mit hergekommen mit Frau 55 und äh  hat die ganze Zeit geschlafen er kriegt das mit dem Fliegen noch nich so ganz mit 56 aber er is n ruhiger Zeitgenosse und schreit eigentlich fast nie

57 Jauch: Äha (Atemzug)  wir ham uns bevor Sie geheiratet haben mal da drüber unterhalten ´

58 da ham Sie gesagt ja Sie wolln diese Hochzeit ´ wenn sie denn kommt auch ganz privat

59 machen ´(Atemzug) das is Ihnen auch gelungen ` also es sind ja sogar noch nicht mal

60 (Atemzug) Eltern, Schwiegereltern oder auch der Bruder dabeigewesen ` (Atemzug) wie

61 sauer ist danach ne Familie wenn man ´ wenn man das so macht \

62 Schumacher: Eh jaha in unserm Fall war die Familie nich sauer ` man muß dazu eins sagen

63 ´ (Atemzug) meine Frau war hochschwanger ´ und äh wir beide wollten eh schon vorher

64 heiraten aber wir wolltens auch unbedingt machen ` und äh (Atemzug) dann ham wer

65 versucht die Familie unter einen Hut zu kriegen dann konnte der nicht dann konnte ´äh de

66 die andere Partei nicht und dann ham wer gesacht okay ´(Atemzug) wir denken jetzt nur an

67 uns ` es ist ja auch der wichtigste Event für uns beide und wir machen uns gar keinen Streß

68 wir heiraten nur für uns ` durch Zufall wars dann auch noch so ´ daß sehr gute Freunde

69 gekommen sind ansonsten hätten wer ´ (Atemzug) auch noch irgend jemanden als

70 Trauzeugen genommen also das wär uns dann auch noch egal gewesen weil wer halt für

71 uns heiraten wollten un ich glaube (Atemzug) das sollte auch jeder akzeptieren ` das hat

72 auch die Familie ´ nun klar warn die Eltern etwas enttäuscht das is ja nun immer so das äh

73 kann man wohl nachvollziehen aber das hat dann ´ (Atemzug) ne halbe Stunde angedauert

74 da war das Thema auch schon aus vom Tisch \

75 Jauch: Stimmt eigentlich die Geschichte ´ die ich glaub ich in Österreich gelesen hab ´ sie

76 ham ein geschwätzigen Politiker  / (Atemzug) im falschen Ort gesagt wo die Hochzeit

77 stattfindet weil sie wissen ´ daß der immer alles ausplaudert und dann sind alle Fotografn

78 falsch gelaufen /

79 Schumacher: Hä / naja

80 Jauch: Ham se gesagt bitte nicht weitersagen und sofort hat ers allen erzählt /

81 Schumacher: Ja ne es ist nicht ganz so gewesen aber es war ähnlich ` es war auf jeden Fall

82 so ´ (Atemzug) daß ähm der Termin bekannt gegeben wurde ` (Atemzug) aber daß auch

83 irgendwann mal gesagt wurde es gibt keine Ausnahme es wird nur hier geheiratet in

84 Salzburg und dann standen halt auch alle vor dem Standesamt ´ (Atemzug) und es wußte

85 halt keiner daß wers dann zuhause gemacht haben \

86 Jauch: (Atemzug) Sie haben grad eben ´ zu ihren Mechanikern gesagt äh die wollten ihnen

87 das Leben retten und habn deswegen noch an diesem Flügel da noch äh gearbeitet ´

88 (Atemzug) es gab in diesem Jahr den den Unfall von Alex Zanardi ` den Sie ja auch äh

89 sehr gut kennen `(Atemzug) sind das dann wieder so Momente ´ wo man dann doch auf

90 einmal ins Grübeln kommt ` beschäftigt man sich damit ´ (Atemzug) der bei diesem Unfall

91 beide Beine verloren hat oder sieht man zu weil mans daß man es als Profi verdrängt \

92 Schumacher: (Atemzug) Ja man (Räuspern) man beschäftigt sich schon damit ähm ich

93 muß natürlich klar sagen

94 wenn ich wieder in mein Auto einsteige dann vergeß ich das aber (Atemzug) ´ es war ´

95 auch zu dem Zeitpunkt und ich hab den Alex immer sehr gern gemocht und mag ihn heute

96 noch ich mein es war ein Teamkollege von mir und wir sind hervorragend miteinander

97 ausgekommen ` (Atemzug) und wenn dann sowas passiert (Atemzug) ´ ähm zumal ich ja

98 auch weiß äh er hat einen relativ jungen Sohn und und äh also auch ne junge

99 Familiensituation und wenn dann sowas passiert hab ich natürlich erstmal drum gebangt ´

100 (Atemzug) daß er überhaupt überlebt und das stand ja wohl auf Messers Schneide und

101 dann kamn auch Journalisten zu uns und ham gesagt er ist schon tot (Atemzug) und ´ äh

102 gut es war ja glücklicherweise auch nicht der Fall aber so ist das halt dann in solchen

103 Momentn (Atemzug) und es war schon schlimm ` aber ´ ich sag mal er is

122 er hat an Lebensfreude nich verloren und äh fühlt sich ´(schlucken) natürlich äh mit

123 seiner Behinderung aber trotzdem sehr wohl ´ (Atemzug) und ist froh daß er lebt und die

124 Zeit mit seinem Kind oder mit seinem Kind und seiner Frau noch verbringen kann \

125 Jauch: Mika Häkkinnen ein ganz Großer der Formel 1 hat in diesem Jahr gesagt ich mach

126 Schluß so wie der aufgehört hat wär das auch für Sie ne Überlegung irgendwann mal weiß

127 ich nich in 7,8, oder 10 Jahren im Grunde auf die Art und Weise zu gehen wie ers

128 gemacht hat /

129 Schumacher: Ja äh ich mein man man versucht sich natürlich immer den besten Moment

130 auszusuchen bei Mika war das vielleicht ähm bißchen schade er hätte an nem anderen

131 Punkt oder an nem erfolgreicheren noch aufhören können auf der anderen Seite ist er

132 zweifacher Weltmeister er hat alles erreicht  er ist ein ein starker Rennfahrer und auch ein

133 sympathischer Mensch und ich mein war ja nichts schlimmes dran er hat gesagt meine

134 Familie ist mir jetzt wichtiger mit der bin ich den Rest meines Lebens zusammen die

135 Formel 1 wäre eh nur  für n paar Jahre also das muß man akzeptieren und klar wenn

136 irgendwann mal es soweit is daß ähm  ich der Meinung bin mir wär das das zu gefährlich 137 oder die Familie ist mir wichtiger klar dann würde ich auch aufhören

138 Jauch: Wollen Sie schon ´ nächstes Jahr Weltmeister werden /

139 Schumacher: He ja gut he gewollt hab ich das schon vor vier Jahren \ he ehe (Gelächter

140 vom Publikum) zwischen Wollen (Klatschen) /10 sec./ zwischen ´ zwischen wollen und

141 können is halt immer n Unterschied und es gehören einige Faktoren dazu ` (Atemzug) wir

142 ´ arbeiten alle sehr hart daran wir haben natürlich klar uns unsere Meßlatte auch durch die

143 ´ diesjährige Saison höher gelegt ´ das is ganz klar alle erwarten von uns, daß wir

144 nächstes Jahr näher an Ferrari dran sind oder vielleicht in der Lage sind ´ sie zu schlagen

145 ` eins steht fest wir wollen sie ´ öfter schlagen als uns das dies Jahr gelungen ist ´

146 (Atemzug) und wenn das  natürlich am Ende des Jahres so aussieht daß wir vorne stehen

147 dann habn wir auch nichts dagegen ` (Atemzug)  aber ´ bis dahin is mit Sicherheit noch

148 ein wei weiter und steiniger Weg und wir versuchen ihn so gut wie möglich zu nehmen \

149 Jauch: (Atemzug) Wir ham uns überlegt weil jetz Weihnachten vor der TTür steht womit

150 könn wer Ihnen als kleinem Geschenk eine Freude machen ´ und dann ham wer gedacht ´

151 naja ` (Atemzug) im Wesentlichen wird der Mann wahrscheinlich alles haben ` aber

152 (Atemzug) Eins hat er bestimmt noch nicht ` (Atemzug) den richtigen Kinderwagen für

153 David und da hätten wir dieses Modell hier anzubietn ´ schaun sie ´

154 Schmacher: Um Gottes Willen

155 Jauch: Ne geht schon aber der hat n ganz schönes Tempo sehr gut der Mann kennt sich

156 aus oh das is nämlich ein ein das Ding macht sich absolut selbständig Mofamotor

157 Schumacher: Ich habs gesehn ja

158 Jauch: Mofamotor also och (klatschen) unsere größte Angst war daß er die Showcar

159 zusammenfahren ja

160 Schumi: Das is nich so schlimm

161 Jauch: mit dem Ding und da ham wer wirklich die Aufgabe zack da kann man nämlich

162 die Berge ja gleich nochmal wir übens gleich nochmal da kann man nämlich die Berge

163 die Berge von Hallwang kann man da glaub ich richtich richtich gut der geht nämlich

164 wirklich absolut

165 Schumacher: Ich mein das ist ne tolle Idee ich weiß nur nicht ob er das im Moment so

166 mag mit dem Lärm da drunter hä un ob meine Frau so schnell is und daß sie da hinterher 167 kommt

168 Jauch: Ja eheh er wird also ich würd sagen wieviel Tankstops braucht er eigentlich in der 169 Nacht im Moment

170 Schumacher: Im Moment zwischen 2 und 3 Stops ja

171 Jauch: Aha und aber gleichmäßig verteilt

172 Schumacher: Gleichmäßig verteilt alle drei Stunden aber er hatte auch schon wieder

173 nächste gehabt wo er mal durchgeschlafen hat und ich hoffe daß das jetz öfter vorkommt

174 Jauch: Also hier der kleine von Ihnen hat er nich viel oder

175 Schumacher: Ne bis jetz noch nich ich hoffe nich

176 Jauch: Nein

177 Schumacher: Hehe

178 Jauch: So dann legen wir ihn hier wieder hin ich würd sagen wir wünschen alles Gute für 179 die nächste Saison

180 Schumacher: Das is lieb danke

181 Jauch: Daß Sie äh gesund bleiben und erfolgreich und äh ich schlag vor einmal schonmal 182 der Handschlag aber jetz Achtung wir geben ihm hier einen kleinen Vorsprung und dann 183 schaun Sie daß Sie irgendwie

184 Schumi: Ich muß aber nich hinterher oder muß ich da noch hinterher

185 Jauch: So Moment noch loslassen

186 Schumacher: Und jetzt

187 Jauch: Und hinterher tschüß (Klatschen, Ralf Schumacher läuft raus) Ralf Schumacher

188 Kinderwagen peinlich ja der riskiert da immer sein Leben und und ich werd vom

189 Kinderwagen

190 angefahren hehe ja das sind die Unterschiede

 

Insgesamt wurden 6,31 Minuten Tonmaterial transkribiert, das durchschnittliche

Sprechtempo von Günther Jauch lag bei der Passage 86-9 bei 4,76 Sprechsilben pro Sekunde – er produzierte 124 Silben in 26 Sekunden –, was dem normalen Richtwert zuzuordnen ist. Ralf Schumacher lag vom Sprechtempo her in den Zeilen 92-124 bei 5,8 Sprechsilben pro Sekunde, wobei er 290 Silben in 50 Sekunden äußerte, was einem schnellen bis sehr schnellen Richtwert entspricht.

2.3 Analyse

In Sprechsituationen, die mit mehr Stress verbunden sind und zu denen auch Auftritte im Fernsehen zählen, reagieren Menschen individuell auf die jeweilige Situation. Manche sind gerade dann in der Lage, ihre Sprache besser zu kontrollieren und z.B. Verzögerungs- oder andere Partikel und Füllwörter zu vermeiden, manche produzieren gerade in solchen Situationen durch ihre Aufregung mehr Verzögerungspartikeln etc.. Im folgenden soll das sprachliche Verhalten von Günther Jauch und Ralf Schumacher auf solche Aspekte hin untersucht und miteinander verglichen werden. Dabei ist es wichtig, zu beachten, daß sich diese beiden im Laufe ihrer Karriere an das Medium „Fernsehen„ und öffentliche Auftritte im allgemeinen zu gewöhnen: in dem Fall ist die Aufnahme mit der Kamera „ein integriertes Merkmal der Redekonstellation (Schröder 1975, 18)„ und das dadurch „beeinflußte Sprachverhalten„ kann „in dieser Konstellation als das natürliche gelten„.[18] Dabei ist natürlich der Unterschied zwischen den beiden Berufssparten, von denen nur die eine untrennbar mit Kommunikation und Sprache verbunden ist, zu beachten. Mediengespräche sind gerade dadurch gekennzeichnet, daß ihnen immer eine „unmittelbare gesellschaftliche Bedeutung„[19] zukommt; dies gilt gerade für in der Öffentlichkeit so präsente Menschen wie Jauch und Schumacher. Angesichts einer solchen Situation kann das Sprachverhalten wohl auch bei Profis nicht immer ganz ohne Auswirkung auf die Sprachproduktion bleiben.

Wichtig bei der Analyse ist auch die Beachtung der Dialogart; das Interview zeichnet sich dadurch aus, daß der eine immer fragt und die andere Partei darauf antwortet, dies ist also die dem Interview „normativ vorgegebene Struktur„. Man spricht in diesem Zusammenhang von „präskriptiven Normen„ für „bestimmte, insbesondere instituionalisierte Gesprächstypen„[20] gelten. Aus diesem Grunde fällt den Beteiligten diese überschaubare Interaktion auch leicht, da sie sie als „vorverständigt„ betrachten und deshalb leicht beginnen können. Im alltäglichen Gespräch dient die Gesprächseröffnung – in der Regel durch paarweises Auftreten einer ritualisierten Grußformel – der wechselseitigen Akzeptanz der Rollenverteilung als Gesprächspartner, wobei die Rollen beispielsweise bei einem Verkaufsgespräch festgelegter sind als bei z.B. einem privaten „small-talk„. Hier müssen sich die Beteiligten eine Rolle suchen bzw. sich in ihr zurechtfinden oder behaupten; diese „Mühe„ bleibt Günther Jauch und Ralf Schumacher wegen der Form des Interviews erspart. Die oben vorgestellten „Turns„ sind hier einfach verteilt, die Schumachers stellen immer die jeweiligen Antworten auf die vorangegangenen „Frage-Turns„ Jauchs dar.

Indem der Moderator also das Gespräch durch das Stellen von Fragen an den Gast führt, wird er der natürlichen Rollenverteilung des Interviews gerecht. Dies beginnt schon mit der Gesprächseröffnung, bei der sich die beiden Männer die Hände schütteln und der Moderator den Rennfahrer mit der Hand in dessen Rücken zu den Sesseln auf dem Podium führt.

Bezüglich der Konversationsanalyse muß nun noch festgehalten werden, daß sie zwangsläufig immer subjektiver Natur ist, weil „für eine wissenschaftliche Gesprächsanalyse die eigene Kommunikationserfahrung als empirische Basis„ verwendet wird.[21] Deshalb ist im folgenden in vielen Punkten der Deutung des Interviews der eigene Eindruck und das eigene Gefühl bezüglich eines Phänomens ausschlaggebend.

2.3.1 Günther Jauch

Trotz seiner Erfahrung fühlt sich der Moderator Günther Jauch offensichtlich am Beginn des Interviews nicht ganz wohl, er setzt sich immer wieder neu in seinem Sessel zurecht, wirkt noch etwas unkonzentriert, was sich unter anderem in Wiederholungen einzelner Wörter zeigt. Er fängt sich zwar zunehmends und auch schnell, aber die etwas langatmigen Sätze, Schumachers, die schwer zu verfolgen und wegen der verwaschenen Artikulation nicht ganz leicht zu verfolgen sind, fallen auch seine Gesprächsschritte ungewohnt verwirrend bzw. verwirrt aus.

Jauchs Vorteil in solchen Momenten ist sicherlich seine Erfahrung, sein sprachliches Talent und große kommunikative Kompetenz. Im Laufe seiner langen Karriere als Radio- und Fernsehjournalist hat er sich eine bestimmte Art, mit Sprache umzugehen, angewöhnt: ganz deutlich fällt zum Beispiel das Wiederholen einzelner Wörter oder Wortsequenzen auf (Vgl.: z.B. Zeile 7), um beispielsweise Pausen zu vermeiden.

Schon beim ersten Anschauen der Aufzeichnung erweckt er den Eindruck, daß er – wenn auch die Transkription z.T. anders wirkt – sehr deutlich und mit sinnvoller Betonung spricht (vgl. z.B. Zeilen 9-10). 

Dabei fällt nicht auf, was er einmal selbst über das Sprechen vor der Kamera gesagt hat: „Und dann schaust Du am Anfang in Kamera zwei. Und wenn Du dann den Film ankündigst, wendest Du Dich nochmal kurz in Kamera drei. Und am Anfang nehmen wir Dich ganz kurz von hinten. Wenn wir dann aber umschneiden, dann zeig bitte auf den Monitor, - und dann hat man nur noch diese ganzen Regieanweisungen im Kopf. Und sieh zu, daß Du diesmal weniger Gel in die Haare nimmst.„[22]

Während der Gesprächsmitte, die in das Hauptthema „Autorennsport: vergangenes und zukünftiges Jahr„ und das Nebenthema „Hochzeit und Familie„ geteilt werden kann, fällt an Jauchs „back-channel-behaviour„ besonders auf, daß es sich dabei fast ausschließlich um nicht-sprachliche Unterstützung des Sprechers handelt. Er ermutigt seinen Interviewpartner eher durch zum Beispiel Kopfnicken und interessierte Blicke zum Fortfahren der Äußerung. Als sprachliches Rückmeldesignal setzt er unter anderem „Äha„ / „Aha„ ein, mit dem er auch in Zeile 171 für kurze Zeit die Sprecherrolle an sich ziehen kann. Durch die Form des Interviews ist Jauch natürlich stark auf verhältnismäßig kurze Gesprächsschritte und vorwiegend auf die Hörerrolle festgelegt. Doch zeigt das gerade genannte Beispiel, daß auch der Zuhörer während des Dialogs aktiv ist, selbst wenn es sich dabei „nur„ um den Akt des „Hörverstehens„ handelt.[23] Dieser steht den Gesprächsakten gegenüber, die als „sprachliche und gestisch-mimische minimal-kommunikative Gesprächseinheiten, die innerhalb eines Gesprächs einen handlungsplanmäßigen, (...) spezifischen Stellenwert haben„ bezeichnet werden können.[24] Gesprächsschritt haben eine bestimmte Struktur, deren Ende implizit oder explizit angezeigt werden kann, der Hörer in der Regel und auch Jauch in diesem Beispiel reagiert sensibel darauf: in Zeile 39 möchte er etwas nachfragen, weil alle Anzeichen darauf hindeuteten, daß Schumacher sich an einer TRP-Stelle seines Gesprächsschritts befindet. Da dieser jedoch noch einen Zusatz zur letzten Äußerung machen will, findet für ganz kurze Zeit eine Überlappung statt, Jauch unterbricht sich sofort selbst und stellt seine Frage erst am nächsten TRP. An diesem Beispiel sieht man, wie die Regeln des Sprecherwechsels funktionieren und das Lösungssystem bei Fehlern / Nichtbeachtung der Regeln einsetzt.

Jauch führt dieses Interview sehr geschickt und klar gegliedert, abrupte Themenwechsel werden deshalb explizit gekennzeichnet, so auch in Zeile 53, in der er den Namen von Schumachers Sohn besonders betont und damit deutlich abhebt von vorhergehenden Antwort, die den Rennsport zum Thema hatte.

Auch die Gesprächsbeendigung, die wie der Anfang meist bestimmten ritualisierten Regeln folgt, wird vom Moderator eingeleitet. Im Gegensatz zur Gesprächseröffnung ist das Ende immer geprägt durch die vorhergegangene Gesprächsmitte, deshalb fällt es in diesem Fall – vermutlich wegen des Kinderwagens, dem Schumacher aus dem Studio folgen soll – auch etwas abrupt und chaotisch aus. Die Beteiligten halten sich dennoch an das hier übliche Ritual: sie schütteln sich die Hände, Jauch wünscht Schumacher alles Gute, der sich daraufhin bedankt und mit der paarweisen Grußformel „Tschüß„ verabschieden sich Rennfahrer und Moderator voneinander.

2.3.2 Ralf Schumacher

Der Rennfahrer wirkt zwar selbstsicher und gelassen angesichts dieser Redesituation, sein Sprechverhalten zeigt jedoch weitgehend Unkonzentriertheit. Er beginnt Sätze, ohne sie zu vollenden, füllt viele Pausen mit „ÄH„ oder „Ähm„ und nutzt unter anderem die Partikeln „halt„ und „ja„(vgl. Zeilen 84-85). Der erste Sprecheindruck des Rennfahrers wird also durch diese Auffälligkeiten geprägt. Hinsichtlich seiner Gestik verhält sich Ralf Schumacher in diesem Interview recht einseitig: er benutzt fast ausschließlich „Beats„. Im Sessel hielt er Zu Beginn der Sendung hält sich Schumacher zwar anfangs an den Lehnen fest, wird jedoch zunehmendes zum Gesprächsende hin selbstbewußter und spricht immer fester, klarer und überlegter, was unter Umständen vom Thema abhängt, da er was seine beruflichen Ziele und Vorstellungen anbelangt, weniger spontan reagieren und somit sprechen muß. 

Am Ende des Interviews – als er sein „Weihnachtsgeschenk„, den Kinderwagen, in Empfang nimmt – fühlt er sich im Stehen offensichtlich weniger wohl als vorher im Sessel.

Ein Beispiel dafür, wie sich Schumacher an Regeln der Kommunikation hält, z.B. an die „Norm der kooperativen Beziehung der Gesprächspartner„[25] – freundliches und zurückhaltendes Verhalten wird ebenso erwidert –, findet sich in den Zeilen  79 und 81 ff., in denen er eine Aussage Jauchs richtigstellt ohne negativ darauf zu reagieren, daß dieser vorher eine (z.T.) falsche geäußert hat. Da der Moderator höflich danach fragte, wäre eine andere Reaktion eher unpassend gewesen.

Auch das Befolgen der Konversationsmaxime von Grice läßt sich in den Gesprächsschritten des Rennfahrers finden: weil er in Zeile 34 keine falsche Information geben möchte – Qualitätsmaxime – korrigiert er sich selbst und macht die ungenauere, aber wahre Aussage „bis zu einer gewissen Zeit vor dem Start".

An seiner Mimik ist auffällig, daß sie innerhalb des Dialogs ein bestimmtes Muster aufweist: zur Bekräftigung der eigenen Aussage nickt er oft mit dem Kopf, z.B. bei Beantwortung der ersten Frage, bei komplizierten Satzstellungen und längeren Gesprächsschritten sieht man seinem Gesichtsausdruck an, daß er sich selbst beobachtet, um sich ggf. zu korrigieren. Dies ist besonders der Fall, als er erzählt, wie er beim Rennen wegen der Böcke unter dem Auto nicht starten konnte. An der Stelle, an der er von der Weihnachtsfeier berichtet verhaspelt er sich und scheint gänzlich den Faden verloren zu lassen, was sein Gesicht widerzuspiegeln scheint. Als er über den schlimmen Unfall seines ehemaligen Teamkollegen spricht, kräuselt er beim Stichwort „schon schlimm„ die Stirn, als er positiv über Zanardi spricht zieht er bekräftigend die Augenbrauen hoch. Bei solchen Beobachtungen ist allerdings zu beachten, daß sie meist automatisch und nicht bewußt eingesetzt werden, um bestimmte Zusammenhänge nicht-sprachlich hervorzuheben oder zu verdeutlichen. An einer Stelle verzögert sich die Geste zeitgleich mit einem ÄH; Schumacher legt da seinen Kopf von einer Seite zur anderen bis er den Faden wiederaufgenommen hat (Vgl. Zeile 130). Insofern bestätigt dies die These, daß sich die Gestik dem Timing der Sprachproduktion anpaßt.

2.3.3 Moderator und Sportler im sprachlichen Vergleich

Leider kann man die beiden Personen nicht immer direkt bezüglich Körperhaltung, Mimik, Gestik etc. miteinander vergleichen, weil es zum Charakteristikum der Aufnahme gehört, daß man nur begrenzte Ausschnitte wahrnehmen kann / gezeigt bekommt, da Kameras immer an einen bestimmten Bildwinkel und eine bestimmte Richtung gebunden sind.

Während sich Günther Jauch vornehmlich auf deiktische Gesten beschränkt, besteht die Gestik Schumachers zum großen Teil aus Beats, taktschlagenden Gesten.

Die Artikulation des Rennfahrers ist undeutlicher und verwaschener als die des Moderators, auch benutzt er mehr ÄHs und andere Füllwörter, während Günther Jauch viele Wörter oder Wortsequenzen wiederholt, um unter Umständen auftretende Pausen zu vermeiden.

Beide Männer stehen gekonnt und gewohnt im Rampenlicht, wirken angesichts der Situation locker und gelassen, auch wenn sich beide zu Beginn der Sendung mehrfach in ihren Sesseln zurechtsetzen und eine geeignete und bequeme Position finden müssen. Der Einstieg ins Gespräch scheint noch etwas unsicher, was sich besonders an der ersten längeren Äußerung Jauchs ablesen läßt, da wiederholt er „sondern„, „ja„ und „äh„ jeweils zweimal und vollendet den ersten Satz überhaupt nicht. Doch bereits bei der ersten Frage hat er sich wieder gefangen, die „Eingewöhnungsphase„ hinter sich gelassen und tritt von da an bis zu dem Punkt, an dem er vom Kinderwagen „angefahren„ wird selbstsicher und kontrolliert auf, ohne dabei „gestellt„ oder künstlich zu wirken.

Daß der Moderator in seiner Sendung tatsächlich „Heimvorteil„ und somit den höheren „Wohlfühlfaktor„ genießt, wird im letzten Teil des Dialogs deutlich, als die beiden am Kinderwagen stehen. In dieser Situation weiß Schumacher nicht, was er mit seinen Händen anfangen soll, spielt am Kragen seines Jackets, steckt mal die eine, mal die andere Hand in die Hosentaschen und stützt schließlich beide in der Hüfte ab. Jauch wirkt in dieser Situation, wenn auch ein wenig durch den „Zwischenfall„ mit dem Kinderwagen verwirrt bzw. verärgert – was  sich deutlich an seiner Miene ablesen läßt – immer noch als „Herr der Lage„; er gestikuliert nicht übermäßig, hält aber die Moderationskarte fest in beiden Händen. Daran und an seiner letzten transkribierten Äußerung (vgl. Zeilen 188-190) erkennt man, daß ihn das kurze Chaos doch ein bißchen beschäftigt und geärgert hat; vielleicht muß er dies gerade deshalb verbalisieren, um anschließend souverän im Programm weitergehen zu können.

Was die ÄHs anbelangt, unterscheiden sich Jauch und Schumacher erst einmal dadurch, daß der Moderator lediglich 9, letzterer 22 ÄHs bzw. ÄHMs produziert. Relativ zur gesamten Rede der beiden Männer durfte der Unterschied allerdings nicht so hoch ausfallen. Jauch scheint bei der Plazierung von ÄH in seinen Sätzen keine besondere Vorliebe zu haben, die des Rennfahrers finden sich zum großen Teil vor dem Subjekt des Hauptsatzes – Näheres dazu kann den Tabellen im Anhang entnommen werden. 

Abschließend bleibt zu sagen, daß beide Männer sehr sympathisch in diesem Interview wirkten, daß Günther Jauch jedoch trotz offensichtlicher Füllwörter oder Wiederholungen und anderen Patzern dem Rennfahrer immer sprachlich überlegen wirkt. Ein Indiz dafür ist das langsamere, kontrolliertere Sprechen, das im normalen Richtwertbereich liegt, Schumacher hingegen spricht ein schnelles bis sehr schnelles Sprechtempo, was eine Klassifizierung als Flucht-Stress-Typ nahelegen könnte, der in solchen Situationen dazu neigt, schnell zu sprechen, um die unangenehme Situation möglichst schnell hinter sich zu bringen.

Beide Gesprächspartner weisen offensichtliche „Makel„ in ihrer Sprache auf. Doch während die Fehler des Moderators sympathisch wirken, weil er gerade nicht spricht „wie gedruckt„, nehmen die verwirrenden Sätze des Rennfahrers zum Teil überhand. Souverän wirkt er besonders dann, wenn er über seine beruflichen Ziele spricht; wahrscheinlich ist dieses Thema „antrainierter„, weniger spontan und dadurch auch besser in seiner Artikulation und dem Aufbau (vgl. Zeilen 139-148).

Sowohl Rennfahrer als auch Moderator schaffen es in ihrem Dialog, den Sprecherwechsel zum überwiegenden Teil „glatt„ verlaufen zu lassen, ein Beispiel dafür sind die Zeilen 53-54.

3. Zusammenfassung

Abschließend ist zu sagen, daß das Verschriftlichen gesprochener Sprache nahezu zwangsläufig zur Verfremdung der Äußerungen führt. Auch bezüglich der ÄHs, Partikel und anderen Füllwörter ist der Störfaktor erheblich größer, wenn man sich diese bewußt macht und die betreffenden Gesprächsschritte analysiert. In manchen Fällen ist ein „ÄH„ nicht so störend, z.B. in Zeile 181, weil Günther Jauch etwas abgehackt spricht und das ÄH zwar auffällt, aber nicht so negativ empfunden wird. In der gesprochenen Sprache fallen sie auch nicht so ins Auge wie in der Schriftsprache. Das ÄH fällt besonders aus dem Grund in der gesprochenen Sprache nicht auf, weil es im Gegensatz zu seiner Umgebung semantisch leer ist. Außerdem schaffen Füllwörter in gesprochener Sprache eine etwas lockere Atmosphäre, völlig ausgefeilter Perfektionismus wirkt eher aufgesetzt und langweilig.

Die Transkription hat außerdem gezeigt, daß Menschen nicht nur an verschiedenen Tagen, sondern auch innerhalb eines Gesprächs unterschiedlich gut „in Form„ sein können, das heißt man ist in seiner kommunikativen Fähigkeit stark abhängig von äußeren – Fernsehauftritte, Publikumsreaktionen – und inneren – wenn das Thema emotional berührt – Faktoren abhängig.    

Die vorliegende Arbeit sowie die gesamte Semester-Veranstaltung hat folgendes Zitat Hennes bestätigt: „Gesprächsanalyse ist keine Erfindung der Wissenschaft, sondern als alltägliche Handlung so universal wie das Gespräch. Sie geht dem Gespräch voraus, begleitet es und folgt ihm nach.„  und: Der „natürlichen Analyse„ von Gesprächen entspricht ihre „natürliche Aufzeichnung„: im Gedächtnis der Teilnehmer.„[26]

Die eigene Beobachtung beim Produzieren von Sprache kann sich stark auf dieselbe auswirken und hat nicht nur Konsequenzen für das eigene Sprechen – vermehrte Selbstkorrekturen etc. –, sondern auch für den Eindruck, den man beim Gegenüber hinterläßt. Jemand, der seine eigene Sprache in normalem Umfang beobachtet und korrigiert, wird sich selbst wahrscheinlich auch in anderen Bereichen kritischer gegenüberstehen, ohne dabei unsicher oder perfektionistisch wirken zu müssen.

Bibliographie

·        Bußmann, Hadumod: Lexikon der Sprachwissenschaft, 2. Auflage, Alfred Körner Verlag, Stuttgart, 1990

·        Duden, Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, Band 4, 6. Auflage, Dudenverlag, Mannheim, 1998

·        Henne, Helmut; Rehbock, Helmut: Einführung in die Gesprächsanalyse, 4. Auflage, Walter de Gruyter, Berlin, 2001

·        Hentschel, Elke: Funktion und Geschichte deutscher Partikeln, Max Niemeyer Verlag, Tübingen, 1986

·        La Roche von, Walter / Buchholz, Axel: Radio-Journalismus, 6. Auflage, List Verlag, München, 1997

·        Levelt, Wilhelm J. M.: Speaking – From Intention to Articulation, 2. Auflage, The MIT Press, Cambridge / Massachusetts, 1989

·        Prof. Dr. Löbner, Sebastian: Handouts zum Thematischen Proseminar „Einführung in die Pragmatik„, HHU Düsseldorf, Institut für Allgemeine Sprachwissenschaft, Sommersemester 2001

·        Dr. Pabst-Weinschenk, Marita: Handouts zum Thematischen Proseminar „Äh...was ich noch sagen wollte....„, HHU Düsseldorf, Germanistisches Seminar, Wintersemester 2001 / 2002

   

Julia Essers

Wintersemester 2001 / 02

 



[1] Vgl.: Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft, 1990, S.526

[2] Vgl.: Grammatikduden, 1998, S.173

[3] Vgl.: Hentschel, Funktion und Geschichte deutscher Partikeln, 1986, S.3

[4] Vgl.: Hentschel, Funktion und Geschichte deutscher Partikeln, 1986, S.4

[5] Vgl.: Hentschel, Funktion und Geschichte deutscher Partikeln, 1986, S.208-213

[6] Vgl.: Löbner, Handouts, Sommersemester 2001

[7] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.6

[8] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.7

[9] Vgl.: Löbner, Handouts, Sommersemester 2001

[10] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Konversationsanalyse, 2001, S.17

[11] Vgl.: Levelt, Speaking, 1991, S.27-28

[12] Vgl.: Pabst-Weinschenk, Handout vom 19.12.2001: sämtliche Informationen zum „Sketch-Modell„

[13] Vgl.: Pabst-Weinschenk, Handout vom 19.12.2001

[14] Vgl.: Pabst-Weinschenk, Handouts vom 12.12.2001: alle Informationen zu diesem Thema

[15] Vgl.: Pabst-Weinschenk, Handout vom 12.12.2001

[16] Vgl.: Pabst-Weinschenk, Handout vom 09.01.2002

[17] Vgl.: Pabst-Weinschenk, Handout vom 09.01.2002

[18] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.45

[19] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.227

[20] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.214

[21] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.34

[22] Vgl.: LaRoche von, Radiojournalismus, 1997, S.14

[23] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.19

[24] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.176

[25] Vgl.: Henne, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.200-201

[26] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.33