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Gesprächsanalyse und Untersuchung zu Füllwörtern und Partikeln in einem Dialog von Günther Jauch und Ralf Schumacher
Inhaltsverzeichnis:1. Einleitung2. Hauptteil2.1.1 Partikeln / Füllwörter 2.1.2 Kommunikation und ihre Regeln 2.1.3 Wilhelm M.J. Levelt´s Sprachproduktionsmodell 2.1.4 Jan-Peter de Ruiter´s Sketch-Modell 2.1.5 Sprech-, Stress- und ÄH-Typen 2.2 Transkription 2.3 Analyse 2.3.1 Günther Jauch 2.3.2 Ralf Schumacher 2.3.3 Moderator und Sportler im sprachlichen Vergleich 3. Zusammenfassung
1. EinleitungDie
vorliegende Arbeit setzt sich mit dem Auftreten von Füllwörtern und
Partikeln in spontaner Rede auseinander. Dies wird untersucht anhand eines
Dialogs zwischen dem Rennfahrer Ralf Schumacher und dem Fernsehmoderator Günther
Jauch in dessen RTL-Sendung „Menschen, Bilder, Emotionen„ vom
09.12.2001. Im
Hauptteil wird erst der theoretische Hintergrund zur Gesprächsanalyse
erarbeitet, der folgende Schritt besteht in der Transkription des
aufgezeichneten Interviews. Dabei wird zwar der gesamte Dialog
verschriftlicht, die ausführliche Transkription beschränkt sich jedoch
auf einige ausgewählte Passagen. Auf diesem Abschnitt der Seminararbeit
baut die anschließende Konversationsanalyse auf. Sie beinhaltet unter
anderem Auffälligkeiten in der Sprache der einzelnen Personen als auch
Unterschiede bezüglich Partikelanwendung, Redefluß etc. im Vergleich.
Ein Teil der Ergebnisse dieses Arbeitsschritts wird zur besseren Übersicht
auf den beigefügten Tabellen „Wo treten ÄHs auf?„ präsentiert. Eine
Typisierung der beiden Personen bezüglich ihrer Sprache soll deshalb
nicht vorgenommen werden, weil die Aufzeichnung nicht repräsentativ für
das generelle Sprech- und Stressverhalten der beiden sein kann. In der Zusammenfassung werden schließlich die wichtigsten, verallgemeinerbaren Ergebnisse der Analyse präsentiert.
2. Hauptteil 2.1.1 Partikeln / Füllwörter In
der gesprochenen Alltagssprache erfüllen Partikeln vielfältige Aufgaben
und können aufgrund dessen in verschiedene Subklassen eingeteilt werden.
Unter anderem geben sie den Grad oder die Intensität an oder spiegeln die
Einstellung des Sprechers zum Gesagten wider. Nicht zuletzt in der Gesprächsführung,
wie im folgenden deutlich werden soll, spielen die unflektierbaren
Partikeln eine wichtige Rolle. In der neueren Partikelforschung,
beispielsweise bei Weydt, werden sie folgendermaßen definiert: Partikeln
sind „nicht flektierende, nicht
satzgliedhafte Wortklassen, die keine (oder wenig) selbständige
lexikalische Bedeutung aufweisen, aber die Bedeutung ihrer jeweiligen
Bezugselemente modifizieren.„[1]
Im Zusammenhang mit dem Thema der vorliegenden Arbeit sind vor allem Füllwörter
wie „äh„, „ähm„ etc. und die sogenannten Abtönungs- bzw.
Modalpartikeln von Bedeutung, weil sie an dialogischen Zusammenhängen maßgeblich
beteiligt sind.[2]
Hentschel führt 18 dieser Partikeln an, mit denen der Sprecher seiner
Einstellung zum Inhalt der eigenen Äußerung Ausdruck verleihen kann: aber,
auch, bloß, denn, doch, eben, eigentlich, einfach, etwa, erst, halt, ja,
mal, nur, ruhig, schon vielleicht, wohl.[3]
Besondere Aufmerksamkeit verdient die Tatsache, daß viele der genannten Wörter
Homonyme in anderen Wortklassen aufweisen; diese fungieren, im Gegensatz
zu den Partikeln, nicht auf der Intentions-, sondern der
Darstellungsebene. Hinzu kommt die mögliche Bedeutungsänderung der
Partikeln durch unterschiedliche Betonung. Sowohl ein unbetontes ja,
als auch die betonte Variante kennzeichnen die Haltung des Sprechers zum
Gesagten: vgl. „Du hast ja
recht.„ vs. „Komm já nicht
zu spät!.[4]
Zu
den syntaktischen Eigenschaften der Partikeln ist zu sagen, daß ihre
Verwendung keine Auswirkung auf die Stellung der übrigen Satzglieder hat
und sie nahezu völlig frei im Satz beweglich sind. Was die Satzbetonung
betrifft, scheinen Partikel jedoch eine Veränderung bewirken zu können,
was unter anderem die Hervorhebung bestimmter Satzteile hervorrufen kann.
Dafür spricht auch die These, daß Partikeln immer vor dem Satzteil
stehen, dem der höchste Mitteilungswert zukommt, dem Rhema. Hentschel führt
in diesem Zusammenhang zwei Regeln zur Stellung der Partikeln im Satz ein:
1.
Die Partikel steht vor dem Rhema des Satzes. 2.
Bildet das flektierte Verb das Rhema, so kann die Partikel die
letzte Stelle im Satz einnehmen.[5]
2.1.2 Kommunikation und ihre Regeln An dieser Stelle soll nur auf einige wenige, aber grundlegende Regeln der Kommunikation und die Kommunikationseinheit „Gespräch„ eingegangen werden:[6] Vom
Gespräch nimmt man an, daß Äußerungen grundsätzlich intentional und
partnerorientiert sind, oder wie Humboldt es ausdrückt: „Es liegt aber in dem ursprünglichen Wesen der Sprache ein unabänderlicher
Dualismus, und die Möglichkeit des Sprechens selbst wird durch Anrede und
Erwiderung bedingt.„[7]
Henne und Rehbock legen in diesem Zusammenhang „Anrede und Erwiderung als universale Kategorien dialogischen
Sprechens„ fest.[8] Gekennzeichnet
werden Gespräche durch den Sprecherwechsel, überraschend ist dabei meist
auffällig geordnete Übergang von einem Sprecher zum nächsten mit präziser
zeitlicher Abstimmung und wenig Überlappung. Der Sprecherwechsel wird
auch „turn-taking„ genannt, wobei „turns„ die einzelnen Redebeiträge
bezeichnen. An sogenannten „TRPs„ – transition
relevance places – ist das
Ende einer Redeeinheit erreicht, es besteht dann die Möglichkeit des
Sprecherwechsels, und zwar unter folgenden Regeln: 1.
a) Wählt ein Sprecher im laufenden Beitrag einen anderen aus, muß er
selbst zu sprechen aufhören und der ausgewählte Nächstes muß als nächster
sprechen, wobei der Übergang beim ersten TRP nach der Selektion erfolgt. b)
Wählt ein Sprecher keinen bestimmten nächstesn aus, so kann sich jede
andere Partei selbst wählen, wobei der 1., der spricht, das Recht auf den
nächsten Beitrag gewinnt. c)
Hat ein Sprecher niemand nächsten ausgewählt, und sich keine andere
Partei unter Option b) selbst gewählt, so kann der Sprecher selbst
weiterfahren (muß aber nicht), d.h. eine weitere beitragsbildende Einheit
beanspruchen. 2. Wurde Regel 1c) vom Sprecher angewandt gelten beim nächsten TRP und rekursiv bei jedem nächsten TRP die Regeln 1a)-c) bis ein Sprecherwechsel erfolgt. Diese
Regeln bilden auch die Basis für die Unterscheidung zwischen
unbeabsichtigtem Simultansprechen und erzwungener Unterbrechung. Überlappungen
kommen z.B. als konkurrierende Redebeginne oder dann vor, wenn TRPs aus
systematischen Gründen falsch projiziert worden sind, z.B. nach
Vergewisserungsfragen. Beim
Simultansprechen setzt deshalb schnell folgendes Lösungssystem ein: 1.
Ein Sprecher hört schnell auf, wenn Simultansprechen vorkommt. 2.
Ein Sprecher wiederholt, sobald er wieder richtig gehört /
verstanden werden kann, genau den Teil seines Beitrags, der durch das
simultane Sprechen unverständlich wurde. Hört
ein Sprecher beim Simultansprechen nicht sofort auf zu reden, ist ein
konkurrenzierendes Zuschreibungssystem verfügbar, das grob auf der Basis
Silbe zu Silbe funktioniert: Der Sprecher, der am meisten „eskaliert„,
gewinnt die Sprecherrolle; dabei kann er die Stimmfrequenz erhöhen, das
Sprechtempo verlangsamen, Vokale dehnen etc.. Sprecherwechsel
bei face-to-face-Gesprächen scheinen oft unter anderem mit dem
Blickkontakt zusammenhängen: während des Sprechens bricht der Sprecher
den Blickkontakt ab und nimmt ihn gegen Ende des eigenen Beitrags wieder
auf. Eine
weitere lokale Lenkungsorganisation im Gespräch sind Nachbarschaftspaare,
wie zum Beispiel Begrüßungen Der Begriff stammt von Schlegloff &
Sacks[9]:
„Nachbarschaftspaare sind
Sequenzen von 2 Äußerungen, die i) nebeneinander stehen, ii) von
verschiedenen Sprechern produziert werden, iii) als 1. Und 2. Teil
geordnet sind, iv) so typisiert sind, daß ein bestimmter 1. Teil einen
bestimmten 2.Teil (oder mehrere Teile) verlangt.„ Der
Gebrauch der Paare wird durch diese Regel gesteuert: „Hat
der derzeitige Sprecher den ersten Teil eines Paares produziert, so muß
er zu sprechen aufhören, und der nächste Sprecher muß an diesem Punkt
einen zweiten Teil für dasselbe Paar produzieren.„ Weniger erwünschte
Teile eines Nachbarschaftspaares werden z.B. durch ein Zögern markiert,
Pausen können also in manchen Fällen als Einleitung einer
nicht-bevorzugten Antwort gehört werden. Manche Analytiker betrachten
Pausen als Belege für verbale Planung. Wichtig für Kommunikation jeglicher Art sind die Konversationsmaxime von Grice, die Qualität – das, was gesagt wird, muß wahr sein –, Quantität – der Beitrag soll so informativ wie erforderlich sein –, die gegenseitige Beziehung der Sprecher – es soll nur Relevantes gesagt werden – und die gewünschte Verhaltensweise während eines Gesprächs – daß man verständlich spreche – festhalten.[10] 2.1.3 Willem J. M. Levelt´s „Sprachproduktionsmodell" Der
gezielte Einsatz von Sprache wird nach Levelt von diversen
Verarbeitungsschritten der Information gesteuert, die er in seinem
„Sprachproduktionsmodell„ zusammengefaßt hat. Dieses soll im
folgenden in groben Zügen vorgestellt werden. Levelt
geht bei jedem Sprecher von folgenden Komponenten des jeweiligen
„Bauplans„ bzw. „Entwurfs„ aus:[11]
i) der „Conceptualizer„, der die preverbalen Aussagen / Mitteilungen
generiert. Letztere bestehen aus einer begrifflichen Information, deren
Ausdruck in der Realisierung der Intention des Sprechers besteht. ii)
der „Formulator„, der aus zwei Subkomponenten besteht: der
grammatische „Encoder„ holt Lemmas aus dem Lexikon und generiert
grammatische Relationen, die die begrifflichen Relationen in der
Mitteilung widerspiegeln. Den resultierenden Output nennt Levelt „surface
structure„, Oberflächenstruktur. Der „Phonological Encoder„ ist für
den phonetischen Plan und die „internal speech„ zuständig, beides
basiert auf der Oberflächenstruktur. Die phonologische Enkodierung hat
Zugang zu der Information über die Formen im Lexikon und beinhaltet auch
die Generierung der Prosodie für eine entsprechende Äußerung. iii)
der „Articulator„, der den phonetischen Plan als eine Serie von
neuromuskularen Instruktionen auseinanderfaltet und ausführt. Die daraus
resultierenden Bewegungen der Artikulationsorgane erzeugen das Sprechen. iv)
Das „Speech-Comprehension System„, welches sowohl selbst-produzierte
„innere„ als auch die offene Sprache dem „conceptualizer„ zugänglich
macht. Dadurch ist es jedem Sprecher möglich, sich selbst beim Sprechen
zu beobachten und ggf. zu korrigieren, was der Begeriff „self-monitoring„
bezeichnet. Levelt nimmt an, daß jede Komponente auf ihren jeweiligen Schritt spezialisiert ist und daß die meisten von ihnen kein feedback der anderen für den eigenen Ablauf benötigen. Der von Kempen und Hoenkamp eingeführte Begriff des „inkrementellen Vorgangs„ kann auch bezüglich des von Levelt entworfenen Modells angewendet werden: er bezeichnet parallel und seriell ablaufende Vorgänge, die sich schrittweise von der Wahrnehmung einer Äußerung bis zur Artikulation der eigenen Äußerung vollziehen. Vorläufige Repräsentationen wie die Oberflächenstruktur oder der phonetische Plan haben ihre jeweils eigenen Einheiten, es gibt während der Prozesse der Sprachproduktion keine gemeinsame Einheit. Deshalb werden diese Repräsentationen immer zwischengespeichert und bei Bedarf zur weiteren Verarbeitung „hervorgeholt". 2.1.4 Jan-Peter de Ruiter´s „Sketch-Modell" De
Ruiter´s Sketch-Modell[12]
berücksichtigt den Zusammenhang von Gestik und Sprachproduktion, wodurch
ihm eine Weiterentwicklung von Levelt´s eben vorgestelltem
„Sprachproduktionsmodell„ gelang. Es besagt in seiner modifizierten
Form, daß während der Vorbereitung und Planung von Äußerungen ebenso
die Gesten vorbereitet und geplant werden müssen. Das Modell basiert auf
der Annahme, daß Gesten kommunikative Funktion haben und es sich deshalb
nicht nur um ein Begleitphänomen der Rede handelt. Die
Grundstufen der beiden Modelle sind im wesentlichen gleich: de Ruiter fügte
dem ursprünglichen hinzu, daß die Sprachproduktion erst beginnt, wenn
der Gestik-Planungs-Prozeß beendet ist und ein Signal an die
Konzeptualisierung gesendet wurde. Anschließend erfolgt wie gehabt die
geplante Sprachäußerung, die entsprechende Gestik wird auf separatem Weg
in Form eines „motorischen Programms„ ausgeführt. Daß Gestik und
Sprachäußerung eng zusammenhängen beziehungsweise sich aneinander
anpassen, zeigt die Tatsache, daß Gesten vor dem Sprechbeginn eines
Wortes einsetzen und die Geste länger und langsamer wird, je später die
betonte Silbe einsetzt. Dies gilt ebenso nach oder bei Versprechern und
Unterbrechungen. Ein verspätetes Einsetzen der Rede wird zum Beispiel
durch ein verspätetes Einsetzen der Geste oder durch deren langsamere
Ausführung kompensiert. Die Dauer der Unterbrechung / Verzögerung wird
durch längeres Aushalten der Zeigehand ausgeglichen. Diese Geste wird
also gehalten bis die Konzeptualisierung das Feedback erhält, daß die
Sprechproduktion erfolgreich ist. Allgemein ist es so, daß es für die
Gestik-Planung völlig ausreicht, über die annähernde Verzögerung beim
Onset der Rede informiert zu sein, damit das Bewegungsprogramm
entsprechend angeglichen werden kann. Die
Gründe für die Berücksichtigung von Gestik bei der Sprachproduktion
liegen vor allem in der Beobachtung, daß Menschen ausschließlich beim
Sprechen, nicht aber beim Zuhören gestikulieren; außerdem steht die
Bedeutung der Gesten, soweit sie identifiziert werden kann, in direkter
Beziehung zur sprachlichen Äußerung. Mc Neill (1992) nahm diesbezüglich
eine Klassifizierung der unterschiedlichen Gesten vor:[13] Deiktische
Gesten: dabei handelt es sich vornehmlich um Zeigen / Verweisen auf einen
bestimmten Ort bzw. in eine bestimmte Richtung. Im Deutschen wird dafür häufig
der Zeigefinger benutzt. Embleme:
Gesten, die eine bestimmte, konventionalisierte Bedeutung haben, wie zum
Beispiel Daumen nach oben = OK. Beats
/ taktschlagende Gesten: sie bestehen in rhythmischen Auf- und
Abbewegungen der Hand, die scheinbar keine Bedeutung im eigentlichen Sinn
besitzen. Vermutlich hängen sie mit der Phonologie des Gesprochenen
zusammen, bisher konnte dies allerdings nicht überzeugend nachgewiesen
werden. Ikonische
Gesten: Sie besitzen eine bedeutungsvolle Beziehung zum Inhalt der Äußerung.
Ein Beispiel dafür ist eine Spiralbewegung des Zeigefingers, wenn man über
einen Strudel spricht. Für
Gestik im allgemeinen gilt, daß sie sehr spontan erfolgt und nicht nur
von Sprecher zu Sprecher verschieden ist; ein Sprecher kann in seiner
eigenen Gestik variieren, wenn er über ein- und dieselbe Sache spricht. Der
Gestik kommt nach de Ruiter die Aufgabe zu, den Sprachprozeß zu
erleichtern, indem sie den Zugang zu Repräsentationen in der Erinnerung
vereinfacht. Dieser Ansatz wird als Zugriff-Abruf-Hypothese bezeichnet. Sie
wird nach de Ruiter durch die Ergebnisse seines Experiments bestätigt.
Dabei ließ er Versuchspersonen
Bilder mit verschiedenen geometrischen Figuren so beschreiben, daß sie
von anderen Testpersonen gezeichnet werden konnten. Die Beteiligten
konnten sich gegenseitig nicht sehen, um die Gestik zur Verständigung zu
unterbinden. Ein Teil der Bilder sollte dabei aus dem Gedächtnis, der
andere direkt von der Vorlage beschrieben werden, außerdem wurden
verschiedene Schwierigkeitsstufen gewählt. Ergebnis der Untersuchung war,
daß die Versuchspersonen bei der memorierten Wiedergabe der Bilder mehr
gestikulierten. Außerdem bestand kein Unterschied in der Häufigkeiten
der Gesten zwischen den leichter und den schwerer zu beschreibenden
Bildern. Nach de Ruiter ist nur auf einer frühen Stufe der Planung, der Konzeptualisierung, eine Interaktion zwischen Gestik und Äußerung möglich, dies spräche für die Zugriff-Abruf-Hypothese und für das „Sketch-Modell". 2.1.5 Sprech-, Stress- und ÄH-Typen Es
sollen in diesem Zusammenhang verschieden Sprech- und Stress-Typen
vorgestellt werden, weil sie in ihrer Vielfalt widerspiegeln, daß das
Sprachverhalten der Menschen so individuell ist wie die gesamte Persönlichkeit.
Eine Klassifizierung Jauchs und Schumachers auf der alleinigen Basis des
aufgezeichneten Interviews wäre wahrscheinlich übereilt und nicht repräsentativ,
weshalb sie entgegen früherer Überlegungen nicht in dieser Arbeit
vorgenommen werden soll. Erich
Drach, Begründer der modernen Sprecherziehung und Sprechwissenschaft hat
in seiner didaktischen Sprechausdruckstypologie neben einem Mitteltyp vier
weitere, vereinseitigende Typen festgestellt, die bei Übersteigerung zu
folgenden Sprechstörungsbildern tendieren:[14]
Typ
I ist gekennzeichnet durch Ausdrucksstärke mit Ausdrucksdrang /
Leichtigkeit; bei übersteigertem Drang: Poltern. Typ
II zeichnet sich durch Ausdrucksstärke mit Ausdruckshemmung aus; wird
letztere übersteigert, tendiert dieser Typ zum Stottern unter
Willensdruck / gepresstem Sprechen. Typ III neigt zur Ausdrucksschwäche mit Ausdrucksdrang / Leichtigkeit; bei übersteigertem Drang spricht er überhastet oder schwatzhaft mit wenig Hörerbezug. Auch lasche Spannung, mäßiges Sprechen, mattes Hauchen oder verwaschene Artikulation gehören zu den charakteristischen Eigenschaften dieses Sprechtyps. Typ
IV ist fällt ebenfalls durch Ausdrucksschwäche auf, allerdings mit
Ausdruckshemmung; bei übersteigerter Hemmung stottert er unter
Minderwertigkeitsgefühlen.[15]
Die
Stress-Typen werden in nur zwei Tendenzen aufgeteilt, ihre
Charakterisierung wird durch folgende Hypothesen vorgenommen:[16]
Typ
I: Starre-Stress-Typen, bei denen in Gesprächen mehr ÄHs auftreten als
in Reden, weil sie als Gesprächsteilnehmer weniger kontrolliert sprechen,
sich demnach in der Gruppe wohler fühlen und dadurch unkontrolliert und
laut sprechdenken. Typ
II: Flucht-Stress-Typen, die sich durch mehr ÄHs in Reden als in Gesprächssituationen
auszeichnen. Ihnen ist die Rede-Situation unangenehm, weshalb sie sie
schnellstmöglich hinter sich bringen wollen. Dies hat zur Folge, daß sie
nur wenige Sprechpausen einlegen und die „unvermeidlichen„ mit ÄHs
und anderen Füllwörtern füllen. Die
Einteilung in diesen zwei Tendenzen baut auf der Beobachtung auf, daß
manche Redesituationen Stress hervorrufen, der zu Denkblokaden führen und
dadurch die Sprachproduktion beeinträchtigen kann. Menschen reagieren
sehr individuell auf Stress: manche positiv mit sogenanntem
„EU-Stress„, von dem sie sich beflügelt und motiviert, also durch die
Situation positiv herausgefordert fühlen, andere reagieren mit negativem
„DYS-Stress„, der sie, wie oben erwähnt, erstarren oder sich überaktiv
/ „fluchtartig„ verhalten läßt. Allgemein
lassen sich bei Share-Stress-Typen weniger ÄHs feststellen als bei
Flucht-Stress-Typen, deren gesamtes Verhalten auch auffälliger ist als
das der anderen Gruppe. Die
letzte Typisierung, die der ÄH-Typen, werden auf Basis der mündlichen
Sprachproduktion in vier bzw. fünf verschiedene Typen eingeteilt:[17]
a)
Polter-Typ: er macht
sehr viele ÄHs und andere Füllwörter, zeichnet sich unter anderem durch
viele Versprecher, schnelles Sprechen mit Polter-Tendenz aus, er hat viel
motorische Energie, dennoch oft fehlende oder ungestaltete Gestik. In
bestimmten Sprechsituationen kann er sich mehr oder weniger gut
kontrollieren: mit etwas Übung kann er langsamer, weniger überstürzt
und mit weniger Füllwörtern sprechen. b)
Kopf-Typ: seine ÄHs stehen vor allem zwischen Syntagmen, er hat
Angst vor Sprechpausen, da er einem falschen / überzogenen Ideal der flüssigen
Sprachproduktion nacheifert. In Stress-Situationen, z.B. während einer
Rede, kann bei starkem Willen und Übung, für begrenzte Zeit kontrolliert
und mit weniger ÄHs gesprochen werden. Oft fehlt diesem Typ eine
kontinuierliche rhythmisch-taktierende Gestik. c)
Normaltypen: zeichnet sich, situationsabhängig, durch vermehrtes
oder geringeres Auftreten von ÄHs aus. Abhängig vom individuellen
Temperament wird mehr oder weniger gestikuliert. i)
Motoriker: unterdrückt er den eigenen Bewegungsdrang, treten sehr
viele ÄHs auf. ii)
Bewegungsarmer Normaltyp: macht weniger ÄHs, aber bei Problemen während
der Konzeptualisierung / Wortfindung treten Verzögerungspartikel auf, die
wegen des oft harten Stimmeinsatzes sehr auffällig sind. d)
Ohne-ÄH-Typ: seine Sprache ist charakterisiert durch gute,
sinnbezogene Pausen; seine Haltung ist grundsätzlich offen, Gestik wird
immer funktional eingesetzt und er hat keine Angst vor Wortsuchpausen.
Selbstbewußt nimmt sich dieser Typ die zum Formulieren notwendige Zeit,
wobei er sich nicht unter Druck setzen läßt und auch in stressigen
Situationen authentisch bleibt. Die Häufigkeit von Gesten ist abhängig
von Temperament und motorischer Veranlagung. e) Gewöhnungstyp: er tritt sicher auf, spricht langsam, hat sich aber bis ins hohe Alter hinein viele ÄHs und andere Füllwörter in seiner Sprache angewöhnt. 2.2 Transkription In
der folgenden Transkription des Interviews von Günther Jauch und Ralf
Schumacher im Jahresrückblick 2001 „Menschen, Bilder, Emotionen„ wird
das gesamte Gespräch verschriftlicht, wobei die einzelnen Zeilen zur
besseren Übersicht und zur Erleichterung der anschließenden
Konversationsanalyse durchnumeriert werden. Die ausführliche
Transkription beschränkt sich auf die Passagen der Zeilen 1-38, 57-124
und 141-162. Die Anzahl und Art der ÄHs bzw. auch ÄHMs bei Ralf
Schumacher findet sich in den Tabellen „Wo treten ÄHs auf?„ im
Anhang. Legende
der verwendeten Zeichen Ø
´:
kurze Pause, Stimme bleibt oben Ø
`:
kurze Pause, Stimme wird abgesenkt Ø
/:
längere Pause, Stimme bleibt oben Ø
\:
längere Pause, Stimme wird abgesenkt Ø
besondere
Betonung: Unterstreichen der Wörter bzw. Wortteile /...sec./:
lange bzw. sehr lange Pause Ø
Sprechtempo:
wird anhand des jeweils längsten Gesprächsschritts für die einzelnen
Personen getrennt ermittelt und separat unter der Transkription aufgeführt. Überlappungen tauchen im Dialog nur da auf, wo sie explizit schriftlich aufgezeigt werden, die anderen Sprecherwechsel verlaufen also "glatt". Transkription1
Jauch: Kannten Sie diese Dinger / 2
Schumacher: Nein ich hab sie auch eben ´ erst das erste Mal gesehen ja `
es hört sich aber 3
ver ´ verblüffend echt an 4
Jauch:
Gut ne ´ 5
Schumacher: Muß
man sagen ja `
(gleichzeitig) 6
Jauch: also ` danke ´ es is wenn man Erwachsenen ein Spielzeug gibt ` ja
ja nich ´ also ich 7
kannte die ´ ich kannte die die Dinger auch nich ´ sondern ´ sondern
uns ist das eben in so 8
einem Film über die Formel 1 ´ äh äh aufgefallen ` (Atemzug) aber es
sss klingt wirklich 9
perfekt ` war es für Sie auch ein perfektes Jahr ´ dieses
Jahr 2001 \ 10
Schumacher: (Atemzug) also
ich würde sagen es war ´ äh schon irgendwo ein perfektes 11
Jahr ` (Atemzug) zum Ende hin ´ waren die Ergebnisse nicht mehr ganz so
wie ich sie mir 12
gewünscht habe ` (Atemzug) auch aus Eigenverschulden klar `
(Atemzug) aber gut ähm da 13
arbeitet man natürlich fürs nächste Jahr dran ` (Atemzug) aber ich
glaube wir können 14
voller Optimismus in die ´ in die nächste Saison gehen `
(Atemzug) und schauen was dabei 15
rumkommt / 16
Jauch: Drei Siege darunter (Atemzug) der am Hockenheimring der sicherlich
was ganz 17
besonderes is ´ (Atemzug) letztes Jahr ´ dachten wir ja daß diese
Ferrari-Nummer mit den ´ 19
äh mit den drei Reifen daß
das also ´ (Atemzug) sozusagen das Höchste is was man so 20
bringen kann ´ (Atemzug) aber die Nummer mit den Klötzchen bei Ihnen war
auch nich 21
schlecht ` also (Atemzug) muß
ich wirklich sagen ´ wie is das eigentlich /5 sec./ 22
(klatschen) wie sie da gestanden ham / 2 sec./ realisiert man das in dem
Moment selbst und 23
merkt oh scheiße ´ oder ham Sie gedacht ´ ich kann fahren / 24 Schumacher: Naja also ` wir haben
das schon realisiert und die wurden auch nicht
25
vergessen ´ das war
also nicht der Fall ` (Atemzug) ähm aber wir hatten wenigstens vier 26
Reifen am Auto ` also aber (Atemzug) war auch das auch das kann passieren
deshalb 27
haben wir da auch nie drüber gelacht das kann wirklich jedem passieren
aber bei uns wars 28
so ´ (Atemzug) es sieht natürlich sehr witzig aus wir habens auch
gestern bei uns wir 29
hatten die Weihnachtsfeier gestern auch nochmal ` (Atemzug) aufm äh ´
auf der Leinwand 30
und alle habn auch gelacht sogar die Mitarbeiter (Atemzug) ` es war also
so daß ähm wir 31
kurz vorm Start festgestellt hatten daß ein neuer (Atemzug) ´ wir hatten
einen neuen 32
Heckflügel ´ und und der wurde durch die Auspuffabgase (Atemzug)
aufgefressen ` und 33
dann hattn wer aus Sicherheitsgründen diesen Heckflügel wechseln wollen
´ und bis 34
fünfundvierz oder bis zu einer gewissen Zeit (Atemzug) vor dem Start darf
man nicht mehr 35
ans Auto ran ` (Atemzug) und der Teammanager hat in all dieser Panik hat
er hat er ehee 36
´etwas den Überblick mit seiner Uhr verloren ´ und hat er gesagt
alle müssen vom Auto 37
run weg ´ (Atemzug) und deshalb kam wer nich mehr dazu die Böcke unterm
Auto 38
wegzuholn ´ also wir ham es nicht vergessen ` 39
Jauch:
Also \ (Überlappung)
40
Schumi: es is auch meinen Mechanikern aufgefallen daß es Auto auf einmal
höher lag ja ´ 41
(Überlappung vom Ende von „also„ und Anfang von „es„) 42
Jauch: Und das is auch nicht so daß jetzt äh irgendein irgendein ein Klötzchenschieber 43
dann äh praktisch da entlassen wird oder was 44
Schumacher: nein 45
Jauch: da übernehmen dann alle die Verantwortung für so ne Geschichte 46
Schumacher: Also zuerst ist es so wo gehobelt wird fallen auch Späne und
äh also es Team 47 hat sich wirklich die letzten Jahre nichts zu schulden
kommen lassen bis auf Kleinigkeiten 48 und ich sag mal klar das das
passiert einfach und und äh sie ham ihr Bestes gegeben sie 49
ham versucht mein Leben zu retten in dem man den Flügel gewechselt hat
und wirklich 50
auch das Risiko eingegangen is eben nicht zu starten da hat man also auf
das auf diese 51 Punkte sag ich mal oder auf die
gute Startposition verzichtet aufgrund meiner Sicherheit
52
und das sagt ja schon alles 53
Jauch: Wie gehts David 54
Schumacher: Dem geht´s hervorragend der is also eben auch mit hergekommen
mit Frau 55 und äh hat die
ganze Zeit geschlafen er kriegt das mit dem Fliegen noch nich so ganz mit
56 aber er is n ruhiger Zeitgenosse und schreit eigentlich fast nie 57
Jauch: Äha (Atemzug) wir ham
uns bevor Sie geheiratet haben mal da drüber unterhalten ´
58
da ham Sie gesagt ja Sie wolln diese Hochzeit ´ wenn sie denn
kommt auch ganz privat 59
machen ´(Atemzug) das is Ihnen auch gelungen ` also es sind ja
sogar noch nicht mal 60
(Atemzug) Eltern, Schwiegereltern oder auch der Bruder dabeigewesen `
(Atemzug) wie 61
sauer ist danach ne Familie wenn man ´ wenn man das so macht
\ 62
Schumacher: Eh jaha in unserm Fall war die Familie nich sauer ` man muß
dazu eins sagen 63
´ (Atemzug) meine Frau war hochschwanger ´ und äh wir beide
wollten eh schon vorher 64
heiraten aber wir wolltens auch unbedingt machen ` und äh (Atemzug) dann
ham wer 65
versucht die Familie unter einen Hut zu kriegen dann konnte der nicht dann
konnte ´äh de 66
die andere Partei nicht und dann ham wer gesacht okay ´(Atemzug) wir
denken jetzt nur an 67
uns ` es ist ja auch der wichtigste Event für uns beide und wir
machen uns gar keinen Streß 68
wir heiraten nur für uns ` durch Zufall wars dann auch noch so ´ daß
sehr gute Freunde 69
gekommen sind ansonsten hätten wer ´ (Atemzug) auch noch irgend jemanden
als 70
Trauzeugen genommen also das wär uns dann auch noch egal gewesen weil wer
halt für 71
uns heiraten wollten un ich glaube (Atemzug) das sollte auch jeder
akzeptieren ` das hat 72
auch die Familie ´ nun klar warn die Eltern etwas enttäuscht das
is ja nun immer so das äh 73
kann man wohl nachvollziehen aber das hat dann ´ (Atemzug) ne halbe
Stunde angedauert 74
da war das Thema auch schon aus vom Tisch \ 75
Jauch: Stimmt eigentlich die Geschichte ´ die ich glaub ich in Österreich
gelesen hab ´ sie 76
ham ein geschwätzigen Politiker / (Atemzug) im falschen Ort gesagt wo die Hochzeit 77
stattfindet weil sie wissen ´ daß der immer alles ausplaudert und
dann sind alle Fotografn 78
falsch gelaufen / 79 Schumacher: Hä / naja
80
Jauch: Ham se gesagt bitte nicht weitersagen und sofort hat ers allen erzählt
/ 81
Schumacher: Ja ne es ist nicht ganz so gewesen aber es war ähnlich
` es war auf jeden Fall 82
so ´ (Atemzug) daß ähm der Termin bekannt gegeben wurde ` (Atemzug)
aber daß auch 83
irgendwann mal gesagt wurde es gibt keine Ausnahme es wird nur
hier geheiratet in 84
Salzburg und dann standen halt auch alle vor dem Standesamt ´ (Atemzug)
und es wußte 85
halt keiner daß wers dann zuhause gemacht haben \ 86
Jauch: (Atemzug) Sie haben grad eben ´ zu ihren Mechanikern gesagt äh
die wollten ihnen 87
das Leben retten und habn deswegen noch an diesem Flügel da noch
äh gearbeitet ´ 88
(Atemzug) es gab in diesem Jahr den den Unfall von Alex Zanardi ` den Sie
ja auch äh 89
sehr gut kennen `(Atemzug) sind das dann wieder so Momente ´ wo
man dann doch auf 90
einmal ins Grübeln kommt ` beschäftigt man sich damit ´
(Atemzug) der bei diesem Unfall 91
beide Beine verloren hat oder sieht man zu weil mans daß man es als Profi
verdrängt \ 92 Schumacher: (Atemzug) Ja man (Räuspern)
man beschäftigt sich schon damit ähm ich
93 muß natürlich klar sagen
94
wenn ich wieder in mein Auto einsteige dann vergeß ich das aber (Atemzug)
´ es war ´ 95
auch zu dem Zeitpunkt und ich hab den Alex immer sehr gern gemocht und mag
ihn heute 96
noch ich mein es war ein Teamkollege von mir und wir sind hervorragend
miteinander 97
ausgekommen ` (Atemzug) und wenn dann sowas passiert (Atemzug) ´ ähm
zumal ich ja 98
auch weiß äh er hat einen relativ jungen Sohn und und äh also auch ne
junge 99
Familiensituation und wenn dann sowas passiert hab ich natürlich erstmal
drum gebangt ´ 100
(Atemzug) daß er überhaupt überlebt und das stand ja wohl auf
Messers Schneide und 101
dann kamn auch Journalisten zu uns und ham gesagt er ist schon tot (Atemzug)
und ´ äh 102
gut es war ja glücklicherweise auch nicht der Fall aber so ist das halt
dann in solchen 103
Momentn (Atemzug) und es war schon schlimm ` aber ´ ich sag mal er
is 122
er hat an Lebensfreude nich verloren und äh fühlt sich ´(schlucken) natürlich
äh mit 123
seiner Behinderung aber trotzdem sehr wohl ´ (Atemzug) und ist froh daß
er lebt und die 124
Zeit mit seinem Kind oder mit seinem Kind und seiner Frau noch verbringen
kann \ 125
Jauch: Mika Häkkinnen ein ganz Großer der Formel 1 hat in diesem Jahr
gesagt ich mach 126
Schluß so wie der aufgehört hat wär das auch für Sie ne Überlegung
irgendwann mal weiß 127
ich nich in 7,8, oder 10 Jahren im Grunde auf die Art und Weise zu gehen
wie ers 128
gemacht hat / 129
Schumacher: Ja äh ich mein man man versucht sich natürlich immer den
besten Moment 130
auszusuchen bei Mika war das vielleicht ähm bißchen schade er hätte an
nem anderen 131
Punkt oder an nem erfolgreicheren noch aufhören können auf der anderen
Seite ist er 132
zweifacher Weltmeister er hat alles erreicht
er ist ein ein starker Rennfahrer und auch ein 133
sympathischer Mensch und ich mein war ja nichts schlimmes dran er hat
gesagt meine 134
Familie ist mir jetzt wichtiger mit der bin ich den Rest meines Lebens
zusammen die 135
Formel 1 wäre eh nur für n
paar Jahre also das muß man akzeptieren und klar wenn 136
irgendwann mal es soweit is daß ähm
ich der Meinung bin mir wär das das zu gefährlich 137 oder die
Familie ist mir wichtiger klar dann würde ich auch aufhören 138
Jauch: Wollen Sie schon ´ nächstes Jahr Weltmeister werden / 139 Schumacher: He ja gut he gewollt
hab ich das schon vor vier Jahren \ he ehe (Gelächter
140 vom Publikum) zwischen Wollen
(Klatschen) /10 sec./ zwischen ´ zwischen wollen und
141
können is halt immer n Unterschied und es gehören einige Faktoren dazu `
(Atemzug) wir 142
´ arbeiten alle sehr hart daran wir haben natürlich klar uns unsere Meßlatte
auch durch die 143
´ diesjährige Saison höher gelegt ´ das is ganz klar alle erwarten
von uns, daß wir 144
nächstes Jahr näher an Ferrari dran sind oder vielleicht in der Lage
sind ´ sie zu schlagen 145
` eins steht fest wir wollen sie ´ öfter schlagen als uns das dies Jahr
gelungen ist ´ 146
(Atemzug) und wenn das natürlich
am Ende des Jahres so aussieht daß wir vorne stehen 147
dann habn wir auch nichts dagegen ` (Atemzug)
aber ´ bis dahin is mit Sicherheit noch 148
ein wei weiter und steiniger Weg und wir versuchen ihn so gut wie möglich
zu nehmen \ 149
Jauch: (Atemzug) Wir ham uns überlegt weil jetz Weihnachten vor der TTür
steht womit 150
könn wer Ihnen als kleinem Geschenk eine Freude machen ´ und dann ham
wer gedacht ´ 151
naja ` (Atemzug) im Wesentlichen wird der Mann wahrscheinlich alles haben
` aber 152
(Atemzug) Eins hat er bestimmt noch nicht ` (Atemzug) den richtigen
Kinderwagen für 153
David und da hätten wir dieses Modell hier anzubietn ´ schaun sie
´ 154 Schmacher: Um Gottes Willen
155
Jauch: Ne geht schon aber der hat n ganz schönes Tempo sehr gut der Mann
kennt sich 156
aus oh das is nämlich ein ein das Ding macht sich absolut selbständig
Mofamotor 157
Schumacher: Ich habs gesehn ja 158 Jauch: Mofamotor also och
(klatschen) unsere größte Angst war daß er die Showcar
159
zusammenfahren ja 160
Schumi: Das is nich so schlimm 161
Jauch: mit dem Ding und da ham wer wirklich die Aufgabe zack da kann man nämlich
162
die Berge ja gleich nochmal wir übens gleich nochmal da kann man nämlich
die Berge 163
die Berge von Hallwang kann man da glaub ich richtich richtich gut der
geht nämlich 164
wirklich absolut 165
Schumacher: Ich mein das ist ne tolle Idee ich weiß nur nicht ob er das
im Moment so 166
mag mit dem Lärm da drunter hä un ob meine Frau so schnell is und daß
sie da hinterher 167 kommt 168
Jauch: Ja eheh er wird also ich würd sagen wieviel Tankstops braucht er
eigentlich in der 169 Nacht im Moment 170
Schumacher: Im Moment zwischen 2 und 3 Stops ja 171
Jauch: Aha und aber gleichmäßig verteilt 172
Schumacher: Gleichmäßig verteilt alle drei Stunden aber er hatte auch
schon wieder 173
nächste gehabt wo er mal durchgeschlafen hat und ich hoffe daß das jetz
öfter vorkommt 174
Jauch: Also hier der kleine von Ihnen hat er nich viel oder 175
Schumacher: Ne bis jetz noch nich ich hoffe nich 176
Jauch: Nein 177
Schumacher: Hehe 178
Jauch: So dann legen wir ihn hier wieder hin ich würd sagen wir wünschen
alles Gute für 179 die nächste Saison 180 Schumacher: Das is lieb danke
181
Jauch: Daß Sie äh gesund bleiben und erfolgreich und äh ich schlag vor
einmal schonmal 182 der Handschlag aber jetz Achtung wir geben ihm hier
einen kleinen Vorsprung und dann 183 schaun Sie daß Sie irgendwie 184
Schumi: Ich muß aber nich hinterher oder muß ich da noch hinterher 185
Jauch: So Moment noch loslassen 186 Schumacher: Und jetzt
187
Jauch: Und hinterher tschüß (Klatschen, Ralf Schumacher läuft raus)
Ralf Schumacher 188
Kinderwagen peinlich ja der riskiert da immer sein Leben und und ich werd
vom 189
Kinderwagen 190
angefahren hehe ja das sind die Unterschiede Insgesamt
wurden 6,31 Minuten Tonmaterial transkribiert, das durchschnittliche Sprechtempo von Günther Jauch lag bei der Passage 86-9 bei 4,76 Sprechsilben pro Sekunde – er produzierte 124 Silben in 26 Sekunden –, was dem normalen Richtwert zuzuordnen ist. Ralf Schumacher lag vom Sprechtempo her in den Zeilen 92-124 bei 5,8 Sprechsilben pro Sekunde, wobei er 290 Silben in 50 Sekunden äußerte, was einem schnellen bis sehr schnellen Richtwert entspricht. 2.3 Analyse In
Sprechsituationen, die mit mehr Stress verbunden sind und zu denen auch
Auftritte im Fernsehen zählen, reagieren Menschen individuell auf die
jeweilige Situation. Manche sind gerade dann in der Lage, ihre Sprache
besser zu kontrollieren und z.B. Verzögerungs- oder andere Partikel und Füllwörter
zu vermeiden, manche produzieren gerade in solchen Situationen durch ihre
Aufregung mehr Verzögerungspartikeln etc.. Im folgenden soll das
sprachliche Verhalten von Günther Jauch und Ralf Schumacher auf solche
Aspekte hin untersucht und miteinander verglichen werden. Dabei ist es
wichtig, zu beachten, daß sich diese beiden im Laufe ihrer Karriere an
das Medium „Fernsehen„ und öffentliche Auftritte im allgemeinen zu
gewöhnen: in dem Fall ist die Aufnahme mit der Kamera „ein
integriertes Merkmal der Redekonstellation (Schröder 1975, 18)„ und
das dadurch „beeinflußte
Sprachverhalten„ kann „in
dieser Konstellation als das natürliche gelten„.[18]
Dabei ist natürlich der Unterschied zwischen den beiden
Berufssparten, von denen nur die eine untrennbar mit Kommunikation und
Sprache verbunden ist, zu beachten. Mediengespräche sind gerade dadurch
gekennzeichnet, daß ihnen immer eine „unmittelbare gesellschaftliche Bedeutung„[19]
zukommt; dies gilt gerade für in der Öffentlichkeit so präsente
Menschen wie Jauch und Schumacher. Angesichts einer solchen Situation kann
das Sprachverhalten wohl auch bei Profis nicht immer ganz ohne Auswirkung
auf die Sprachproduktion bleiben. Wichtig
bei der Analyse ist auch die Beachtung der Dialogart; das Interview
zeichnet sich dadurch aus, daß der eine immer fragt und die andere Partei
darauf antwortet, dies ist also die dem Interview „normativ vorgegebene Struktur„. Man spricht in diesem
Zusammenhang von „präskriptiven
Normen„ für „bestimmte,
insbesondere instituionalisierte Gesprächstypen„[20]
gelten. Aus diesem Grunde fällt den Beteiligten diese überschaubare
Interaktion auch leicht, da sie sie als „vorverständigt„ betrachten
und deshalb leicht beginnen können. Im alltäglichen Gespräch dient die
Gesprächseröffnung – in der Regel durch paarweises Auftreten einer
ritualisierten Grußformel – der wechselseitigen Akzeptanz der
Rollenverteilung als Gesprächspartner, wobei die Rollen beispielsweise
bei einem Verkaufsgespräch festgelegter sind als bei z.B. einem privaten
„small-talk„. Hier müssen sich die Beteiligten eine Rolle suchen bzw.
sich in ihr zurechtfinden oder behaupten; diese „Mühe„ bleibt Günther
Jauch und Ralf Schumacher wegen der Form des Interviews erspart. Die oben
vorgestellten „Turns„ sind hier einfach verteilt, die Schumachers
stellen immer die jeweiligen Antworten auf die vorangegangenen „Frage-Turns„
Jauchs dar. Indem
der Moderator also das Gespräch durch das Stellen von Fragen an den Gast
führt, wird er der natürlichen Rollenverteilung des Interviews gerecht.
Dies beginnt schon mit der Gesprächseröffnung, bei der sich die beiden Männer
die Hände schütteln und der Moderator den Rennfahrer mit der Hand in
dessen Rücken zu den Sesseln auf dem Podium führt. Bezüglich der Konversationsanalyse muß nun noch festgehalten werden, daß sie zwangsläufig immer subjektiver Natur ist, weil „für eine wissenschaftliche Gesprächsanalyse die eigene Kommunikationserfahrung als empirische Basis„ verwendet wird.[21] Deshalb ist im folgenden in vielen Punkten der Deutung des Interviews der eigene Eindruck und das eigene Gefühl bezüglich eines Phänomens ausschlaggebend. 2.3.1 Günther Jauch Trotz
seiner Erfahrung fühlt sich der Moderator Günther Jauch offensichtlich
am Beginn des Interviews nicht ganz wohl, er setzt sich immer wieder neu
in seinem Sessel zurecht, wirkt noch etwas unkonzentriert, was sich unter
anderem in Wiederholungen einzelner Wörter zeigt. Er fängt sich zwar
zunehmends und auch schnell, aber die etwas langatmigen Sätze,
Schumachers, die schwer zu verfolgen und wegen der verwaschenen
Artikulation nicht ganz leicht zu verfolgen sind, fallen auch seine Gesprächsschritte
ungewohnt verwirrend bzw. verwirrt aus. Jauchs
Vorteil in solchen Momenten ist sicherlich seine Erfahrung, sein
sprachliches Talent und große kommunikative Kompetenz. Im Laufe seiner
langen Karriere als Radio- und Fernsehjournalist hat er sich eine
bestimmte Art, mit Sprache umzugehen, angewöhnt: ganz deutlich fällt zum
Beispiel das Wiederholen einzelner Wörter oder Wortsequenzen auf (Vgl.:
z.B. Zeile 7), um beispielsweise Pausen zu vermeiden. Schon
beim ersten Anschauen der Aufzeichnung erweckt er den Eindruck, daß er
– wenn auch die Transkription z.T. anders wirkt – sehr deutlich und
mit sinnvoller Betonung spricht (vgl. z.B. Zeilen 9-10). Dabei
fällt nicht auf, was er einmal selbst über das Sprechen vor der Kamera
gesagt hat: „Und dann schaust Du
am Anfang in Kamera zwei. Und wenn Du dann den Film ankündigst, wendest
Du Dich nochmal kurz in Kamera drei. Und am Anfang nehmen wir Dich ganz
kurz von hinten. Wenn wir dann aber umschneiden, dann zeig bitte auf den
Monitor, - und dann hat man nur noch diese ganzen Regieanweisungen im
Kopf. Und sieh zu, daß Du diesmal weniger
Gel in die Haare nimmst.„[22]
Während
der Gesprächsmitte, die in das Hauptthema „Autorennsport: vergangenes
und zukünftiges Jahr„ und das Nebenthema „Hochzeit und Familie„
geteilt werden kann, fällt an Jauchs „back-channel-behaviour„
besonders auf, daß es sich dabei fast ausschließlich um
nicht-sprachliche Unterstützung des Sprechers handelt. Er ermutigt seinen
Interviewpartner eher durch zum Beispiel Kopfnicken und interessierte
Blicke zum Fortfahren der Äußerung. Als sprachliches Rückmeldesignal
setzt er unter anderem „Äha„ / „Aha„ ein, mit dem er auch in
Zeile 171 für kurze Zeit die Sprecherrolle an sich ziehen kann. Durch die
Form des Interviews ist Jauch natürlich stark auf verhältnismäßig
kurze Gesprächsschritte und vorwiegend auf die Hörerrolle festgelegt.
Doch zeigt das gerade genannte Beispiel, daß auch der Zuhörer während
des Dialogs aktiv ist, selbst wenn es sich dabei „nur„ um den Akt des
„Hörverstehens„ handelt.[23]
Dieser steht den Gesprächsakten gegenüber, die als „sprachliche und gestisch-mimische minimal-kommunikative Gesprächseinheiten,
die innerhalb eines Gesprächs einen handlungsplanmäßigen, (...)
spezifischen Stellenwert haben„ bezeichnet werden können.[24]
Gesprächsschritt haben eine bestimmte Struktur, deren Ende implizit oder
explizit angezeigt werden kann, der Hörer in der Regel und auch Jauch in
diesem Beispiel reagiert sensibel darauf: in Zeile 39 möchte er etwas
nachfragen, weil alle Anzeichen darauf hindeuteten, daß Schumacher sich
an einer TRP-Stelle seines Gesprächsschritts befindet. Da dieser jedoch
noch einen Zusatz zur letzten Äußerung machen will, findet für ganz
kurze Zeit eine Überlappung statt, Jauch unterbricht sich sofort selbst
und stellt seine Frage erst am nächsten TRP. An diesem Beispiel sieht
man, wie die Regeln des Sprecherwechsels funktionieren und das Lösungssystem
bei Fehlern / Nichtbeachtung der Regeln einsetzt. Jauch
führt dieses Interview sehr geschickt und klar gegliedert, abrupte
Themenwechsel werden deshalb explizit gekennzeichnet, so auch in Zeile 53,
in der er den Namen von Schumachers Sohn besonders betont und damit
deutlich abhebt von vorhergehenden Antwort, die den Rennsport zum Thema
hatte. Auch die Gesprächsbeendigung, die wie der Anfang meist bestimmten ritualisierten Regeln folgt, wird vom Moderator eingeleitet. Im Gegensatz zur Gesprächseröffnung ist das Ende immer geprägt durch die vorhergegangene Gesprächsmitte, deshalb fällt es in diesem Fall – vermutlich wegen des Kinderwagens, dem Schumacher aus dem Studio folgen soll – auch etwas abrupt und chaotisch aus. Die Beteiligten halten sich dennoch an das hier übliche Ritual: sie schütteln sich die Hände, Jauch wünscht Schumacher alles Gute, der sich daraufhin bedankt und mit der paarweisen Grußformel „Tschüß„ verabschieden sich Rennfahrer und Moderator voneinander. 2.3.2 Ralf Schumacher Der
Rennfahrer wirkt zwar selbstsicher und gelassen angesichts dieser
Redesituation, sein Sprechverhalten zeigt jedoch weitgehend
Unkonzentriertheit. Er beginnt Sätze, ohne sie zu vollenden, füllt viele
Pausen mit „ÄH„ oder „Ähm„ und nutzt unter anderem die Partikeln
„halt„ und „ja„(vgl.
Zeilen 84-85). Der erste Sprecheindruck des Rennfahrers wird also durch
diese Auffälligkeiten geprägt. Hinsichtlich seiner Gestik verhält sich
Ralf Schumacher in diesem Interview recht einseitig: er benutzt fast
ausschließlich „Beats„. Im Sessel hielt er Zu Beginn der Sendung hält
sich Schumacher zwar anfangs an den Lehnen fest, wird jedoch zunehmendes
zum Gesprächsende hin selbstbewußter und spricht immer fester, klarer
und überlegter, was unter Umständen vom Thema abhängt, da er was seine
beruflichen Ziele und Vorstellungen anbelangt, weniger spontan reagieren
und somit sprechen muß. Am
Ende des Interviews – als er sein „Weihnachtsgeschenk„, den
Kinderwagen, in Empfang nimmt – fühlt er sich im Stehen offensichtlich
weniger wohl als vorher im Sessel. Ein
Beispiel dafür, wie sich Schumacher an Regeln der Kommunikation hält,
z.B. an die „Norm der kooperativen
Beziehung der Gesprächspartner„[25]
– freundliches und zurückhaltendes Verhalten wird ebenso erwidert
–, findet sich in den Zeilen 79
und 81 ff., in denen er eine Aussage Jauchs richtigstellt ohne negativ
darauf zu reagieren, daß dieser vorher eine (z.T.) falsche geäußert
hat. Da der Moderator höflich danach fragte, wäre eine andere Reaktion
eher unpassend gewesen. Auch das Befolgen der Konversationsmaxime von Grice läßt sich in den Gesprächsschritten des Rennfahrers finden: weil er in Zeile 34 keine falsche Information geben möchte – Qualitätsmaxime – korrigiert er sich selbst und macht die ungenauere, aber wahre Aussage „bis zu einer gewissen Zeit vor dem Start". An seiner Mimik ist auffällig, daß sie innerhalb des Dialogs ein bestimmtes Muster aufweist: zur Bekräftigung der eigenen Aussage nickt er oft mit dem Kopf, z.B. bei Beantwortung der ersten Frage, bei komplizierten Satzstellungen und längeren Gesprächsschritten sieht man seinem Gesichtsausdruck an, daß er sich selbst beobachtet, um sich ggf. zu korrigieren. Dies ist besonders der Fall, als er erzählt, wie er beim Rennen wegen der Böcke unter dem Auto nicht starten konnte. An der Stelle, an der er von der Weihnachtsfeier berichtet verhaspelt er sich und scheint gänzlich den Faden verloren zu lassen, was sein Gesicht widerzuspiegeln scheint. Als er über den schlimmen Unfall seines ehemaligen Teamkollegen spricht, kräuselt er beim Stichwort „schon schlimm„ die Stirn, als er positiv über Zanardi spricht zieht er bekräftigend die Augenbrauen hoch. Bei solchen Beobachtungen ist allerdings zu beachten, daß sie meist automatisch und nicht bewußt eingesetzt werden, um bestimmte Zusammenhänge nicht-sprachlich hervorzuheben oder zu verdeutlichen. An einer Stelle verzögert sich die Geste zeitgleich mit einem ÄH; Schumacher legt da seinen Kopf von einer Seite zur anderen bis er den Faden wiederaufgenommen hat (Vgl. Zeile 130). Insofern bestätigt dies die These, daß sich die Gestik dem Timing der Sprachproduktion anpaßt. 2.3.3 Moderator und Sportler im sprachlichen Vergleich Leider
kann man die beiden Personen nicht immer direkt bezüglich Körperhaltung,
Mimik, Gestik etc. miteinander vergleichen, weil es zum Charakteristikum
der Aufnahme gehört, daß man nur begrenzte Ausschnitte wahrnehmen kann /
gezeigt bekommt, da Kameras immer an einen bestimmten Bildwinkel und eine
bestimmte Richtung gebunden sind. Während
sich Günther Jauch vornehmlich auf deiktische Gesten beschränkt, besteht
die Gestik Schumachers zum großen Teil aus Beats, taktschlagenden Gesten. Die Artikulation des Rennfahrers ist
undeutlicher und verwaschener als die des Moderators, auch benutzt er mehr
ÄHs und andere Füllwörter, während Günther Jauch viele Wörter oder
Wortsequenzen wiederholt, um unter Umständen auftretende Pausen zu
vermeiden.
Beide
Männer stehen gekonnt und gewohnt im Rampenlicht, wirken angesichts der
Situation locker und gelassen, auch wenn sich beide zu Beginn der Sendung
mehrfach in ihren Sesseln zurechtsetzen und eine geeignete und bequeme
Position finden müssen. Der Einstieg ins Gespräch scheint noch etwas
unsicher, was sich besonders an der ersten längeren Äußerung Jauchs
ablesen läßt, da wiederholt er „sondern„, „ja„ und „äh„
jeweils zweimal und vollendet den ersten Satz überhaupt nicht. Doch
bereits bei der ersten Frage hat er sich wieder gefangen, die „Eingewöhnungsphase„
hinter sich gelassen und tritt von da an bis zu dem Punkt, an dem er vom
Kinderwagen „angefahren„ wird selbstsicher und kontrolliert auf, ohne
dabei „gestellt„ oder künstlich zu wirken. Daß
der Moderator in seiner Sendung tatsächlich „Heimvorteil„ und somit
den höheren „Wohlfühlfaktor„ genießt, wird im letzten Teil des
Dialogs deutlich, als die beiden am Kinderwagen stehen. In dieser
Situation weiß Schumacher nicht, was er mit seinen Händen anfangen soll,
spielt am Kragen seines Jackets, steckt mal die eine, mal die andere Hand
in die Hosentaschen und stützt schließlich beide in der Hüfte ab. Jauch
wirkt in dieser Situation, wenn auch ein wenig durch den
„Zwischenfall„ mit dem Kinderwagen verwirrt bzw. verärgert – was
sich deutlich an seiner Miene ablesen läßt – immer noch als
„Herr der Lage„; er gestikuliert nicht übermäßig, hält aber die
Moderationskarte fest in beiden Händen. Daran und an seiner letzten
transkribierten Äußerung (vgl. Zeilen 188-190) erkennt man, daß ihn das
kurze Chaos doch ein bißchen beschäftigt und geärgert hat; vielleicht
muß er dies gerade deshalb verbalisieren, um anschließend souverän im
Programm weitergehen zu können. Was
die ÄHs anbelangt, unterscheiden sich Jauch und Schumacher erst einmal
dadurch, daß der Moderator lediglich 9, letzterer 22 ÄHs bzw. ÄHMs
produziert. Relativ zur gesamten Rede der beiden Männer durfte der
Unterschied allerdings nicht so hoch ausfallen. Jauch scheint bei der
Plazierung von ÄH in seinen Sätzen keine besondere Vorliebe zu haben,
die des Rennfahrers finden sich zum großen Teil vor dem Subjekt des
Hauptsatzes – Näheres dazu kann den Tabellen im Anhang entnommen
werden. Abschließend
bleibt zu sagen, daß beide Männer sehr sympathisch in diesem Interview
wirkten, daß Günther Jauch jedoch trotz offensichtlicher Füllwörter
oder Wiederholungen und anderen Patzern dem Rennfahrer immer sprachlich überlegen
wirkt. Ein Indiz dafür ist das langsamere, kontrolliertere Sprechen, das
im normalen Richtwertbereich liegt, Schumacher hingegen spricht ein
schnelles bis sehr schnelles Sprechtempo, was eine Klassifizierung als
Flucht-Stress-Typ nahelegen könnte, der in solchen Situationen dazu
neigt, schnell zu sprechen, um die unangenehme Situation möglichst
schnell hinter sich zu bringen. Beide
Gesprächspartner weisen offensichtliche „Makel„ in ihrer Sprache auf.
Doch während die Fehler des Moderators sympathisch wirken, weil er gerade
nicht spricht „wie gedruckt„, nehmen die verwirrenden Sätze des
Rennfahrers zum Teil überhand. Souverän wirkt er besonders dann, wenn er
über seine beruflichen Ziele spricht; wahrscheinlich ist dieses Thema
„antrainierter„, weniger spontan und dadurch auch besser in seiner
Artikulation und dem Aufbau (vgl. Zeilen 139-148). Sowohl Rennfahrer als auch Moderator schaffen es in ihrem Dialog, den Sprecherwechsel zum überwiegenden Teil „glatt„ verlaufen zu lassen, ein Beispiel dafür sind die Zeilen 53-54. Abschließend ist zu sagen, daß das Verschriftlichen gesprochener Sprache nahezu zwangsläufig zur Verfremdung der Äußerungen führt. Auch bezüglich der ÄHs, Partikel und anderen Füllwörter ist der Störfaktor erheblich größer, wenn man sich diese bewußt macht und die betreffenden Gesprächsschritte analysiert. In manchen Fällen ist ein „ÄH„ nicht so störend, z.B. in Zeile 181, weil Günther Jauch etwas abgehackt spricht und das ÄH zwar auffällt, aber nicht so negativ empfunden wird. In der gesprochenen Sprache fallen sie auch nicht so ins Auge wie in der Schriftsprache. Das ÄH fällt besonders aus dem Grund in der gesprochenen Sprache nicht auf, weil es im Gegensatz zu seiner Umgebung semantisch leer ist. Außerdem schaffen Füllwörter in gesprochener Sprache eine etwas lockere Atmosphäre, völlig ausgefeilter Perfektionismus wirkt eher aufgesetzt und langweilig. Die
Transkription hat außerdem gezeigt, daß Menschen nicht nur an
verschiedenen Tagen, sondern auch innerhalb eines Gesprächs
unterschiedlich gut „in Form„ sein können, das heißt man ist in
seiner kommunikativen Fähigkeit stark abhängig von äußeren –
Fernsehauftritte, Publikumsreaktionen – und inneren – wenn das Thema
emotional berührt – Faktoren abhängig.
Die
vorliegende Arbeit sowie die gesamte Semester-Veranstaltung hat folgendes
Zitat Hennes bestätigt: „Gesprächsanalyse
ist keine Erfindung der Wissenschaft, sondern als alltägliche Handlung so
universal wie das Gespräch. Sie geht dem Gespräch voraus, begleitet es
und folgt ihm nach.„ und:
Der „natürlichen Analyse„ von
Gesprächen entspricht ihre „natürliche Aufzeichnung„: im Gedächtnis
der Teilnehmer.„[26] Die
eigene Beobachtung beim Produzieren von Sprache kann sich stark auf
dieselbe auswirken und hat nicht nur Konsequenzen für das eigene Sprechen
– vermehrte Selbstkorrekturen etc. –, sondern auch für den Eindruck,
den man beim Gegenüber hinterläßt. Jemand, der seine eigene Sprache in
normalem Umfang beobachtet und korrigiert, wird sich selbst wahrscheinlich
auch in anderen Bereichen kritischer gegenüberstehen, ohne dabei unsicher
oder perfektionistisch wirken zu müssen. Bibliographie·
Bußmann,
Hadumod: Lexikon der Sprachwissenschaft, 2. Auflage, Alfred Körner
Verlag, Stuttgart, 1990 ·
Duden,
Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, Band 4, 6. Auflage,
Dudenverlag, Mannheim, 1998 ·
Henne,
Helmut; Rehbock, Helmut: Einführung in die Gesprächsanalyse, 4. Auflage,
Walter de Gruyter, Berlin, 2001 ·
Hentschel,
Elke: Funktion und Geschichte deutscher Partikeln, Max Niemeyer Verlag, Tübingen,
1986 ·
La
Roche von, Walter / Buchholz, Axel: Radio-Journalismus, 6. Auflage, List
Verlag, München, 1997 ·
Levelt,
Wilhelm J. M.: Speaking – From Intention to Articulation, 2. Auflage,
The MIT Press, Cambridge / Massachusetts, 1989 ·
Prof.
Dr. Löbner, Sebastian: Handouts zum Thematischen Proseminar „Einführung
in die Pragmatik„, HHU Düsseldorf, Institut für Allgemeine
Sprachwissenschaft, Sommersemester 2001 ·
Dr.
Pabst-Weinschenk, Marita: Handouts zum Thematischen Proseminar „Äh...was
ich noch sagen wollte....„, HHU Düsseldorf, Germanistisches Seminar,
Wintersemester 2001 / 2002
Julia Essers Wintersemester 2001 / 02
[1] Vgl.: Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft, 1990, S.526 [2] Vgl.: Grammatikduden, 1998, S.173 [3] Vgl.: Hentschel, Funktion und Geschichte deutscher Partikeln, 1986, S.3 [4] Vgl.: Hentschel, Funktion und Geschichte deutscher Partikeln, 1986, S.4 [5] Vgl.: Hentschel, Funktion und Geschichte deutscher Partikeln, 1986, S.208-213 [6] Vgl.: Löbner, Handouts, Sommersemester 2001 [7] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.6 [8] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.7 [9] Vgl.: Löbner, Handouts, Sommersemester 2001 [10] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Konversationsanalyse, 2001, S.17 [11]
Vgl.: Levelt, Speaking, 1991, S.27-28 [12] Vgl.: Pabst-Weinschenk, Handout vom 19.12.2001: sämtliche Informationen zum „Sketch-Modell„ [13] Vgl.: Pabst-Weinschenk, Handout vom 19.12.2001 [14] Vgl.: Pabst-Weinschenk, Handouts vom 12.12.2001: alle Informationen zu diesem Thema [15] Vgl.: Pabst-Weinschenk, Handout vom 12.12.2001 [16] Vgl.: Pabst-Weinschenk, Handout vom 09.01.2002 [17] Vgl.: Pabst-Weinschenk, Handout vom 09.01.2002 [18] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.45 [19] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.227 [20] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.214 [21] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.34 [22] Vgl.: LaRoche von, Radiojournalismus, 1997, S.14 [23] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.19 [24] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.176 [25] Vgl.: Henne, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.200-201 [26] Vgl.: Henne / Rehbock, Einführung in die Gesprächsanalyse, 2001, S.33
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