Protokoll von Ramona Döring
Thema:
„Veränderungen im ZDF und ihre kommunikative Bearbeitung nach innen und außen“
Zur Einführung:
Das ZDF hat eine Intendantenverfassung, d.h. die Besetzung von Führungspositionen ist Chefsache. Das das ZDF den Anspruch moderner Unternehmenskultur hat, gibt es seit 1996 eine Leitordnung, die die Einbindung der Mitarbeiter in Veränderungsprozessen strukturieren soll. Kommunikation und Information sind Pflicht, daraus resultieren regelmäßige Mitarbeiterbesprechungen, individuelle Mitarbeitergespräche und Zielvereinbarungen. Eine gegenseitige Beratung ist bei wichtigen Entscheidungen Pflicht.
Zum Thema: Re-Design – Vom alten zum neuen Logo
Die Initiative für das Redesign stammte von der Hauptabteilung Kommunikation. Einen Geschäftsführungsbeschluss dazu gab es nicht, die Idee wurde vom Intendanten top-down umgesetzt. Im Dezember 1999 erfolgte eine Ausschreibung an 7 Agenturen, ein Projektmanagement wurde nicht eingesetzt.
Der Prozess lief wie folgt ab:
bis August 2000: Arbeit mit den Agenturen
Mai 2000: Präsentation der Agenturen vor Fachleuten und Vertretern der 2. Hierarchieebene der Hauptabteilung Kommunikation, nach wie vor kein Geschäftsleitungsbeschluß. So wurden erst im Nachhinein technische Probleme sichtbar, die hohe Kosten nach sich zogen: Das Logo war mit der vorhandenen Technik nicht kompatibel.
Juni 2000: Begleitforschung und Markenanmeldung der Logos
August 2000: Erste Präsentation vor der Geschäftsleitung, für das ZDF eine unübliche Praxis. Problem bis dahin war die Geheimhaltung vor der Konkurrenz.
September 2000: Nachbesprechungen mit den Programmdirektoren, diese Gespräche waren mehr eine psychologische Versicherung von Unterstützung als Sacharbeit, da diese zu diesem Zeitpunkt schon weit voran geschritten war.
Man beschränkte sich auf 3 Design-Bereiche: Information (blau), Unterhaltung (rot) und Sport (grün).
Oktober 2000: Letzte Präsentation vor der Geschäftsleitung. Problem: Die einzelnen Direktionen hatten ihre Informationen nicht in ihre Bereiche kommuniziert, sondern alles einem Bereich überlassen. Die Folge: Finanzieller Aufwand durch Mehrarbeit, wie z.B. das Drehen neuer Trailer.
Oktober bis Dezember 2000: Ausarbeitung des Design-Konzepts, dies fand allerdings ohne die Technik und die Sendeleitung statt. Ein professionelles Projektmanagement hätte solche Fehler vermeiden können.
November 2000: Präsentation des neuen Logos durch den Intendanten im Fernsehrat: Eine unübliche Praxis, wurde aber als gute Idee positiv aufgenommen.
Januar bis März 2001: Mitarbeiterpräsentation im Mitarbeitermagazin und in einem Studio. Fazit: Gut gemeint, aber unprofessionell umgesetzt. Der Einladekreis war unklar, die technische Präsentation scheiterte, für die Einführung des Designers blieb keine Zeit, dafür gab es eine lange Diskussion über den Namen der Farbe des neuen Logos (ZDF-Orange versus Terrakotta-Gold). Die Anteilnahme der Mitarbeiter, vor allem im Verwaltungsbereich, war gering.
Januar bis Juni 2001: Produktion
Juni 2001: Öffentliche Präsentation, u.a. durch Kampagnen in den Großstädten.
Die interne Kommunikation im ZDF wurde als sehr gut und bisher einzigartig beurteilt. Zum Stichtag war alles komplett umgestellt.
Seit Juli 2001: Begleitforschung
Fazit:
Projektmanagement in diesem Prozess wäre gut und auch professionell leistbar gewesen. Die personellen Ressourcen sind da, z.B. durch die eigene Abteilung Aus- und Fortbildung mit 35 MitarbeiterInnen, von denen 6 direkt in der Lehre tätig sind.
Zu den angebotenen Seminaren gehören vor allem:
- Entwicklungsprogramm für Führungskräfte
- Mitarbeitergrspräche verantwortlich vorbereiten und führen
- Kommunikation als Führungsinstrument
- Präsentieren und Besprechungen leiten
- Projektmanagement und Projektleitung
-
Gemeinsam mit der ARD werden folgende Schulungen angeboten:
- Führungsrolle und Identität
- Führen im Gespräch
- Grundlagen und Aspekte der Zusammenarbeit
- Führen und Arbeiten im Team
- Kommunikation im Berufsalltag
- Zielorientierte Kommunikation und Umgang mit Stress
- Präsentieren, Argumentieren, Kommunizieren
- Telefontraining
- Rhetorik I +II
Thesen zur Unternehmenskultur im ZDF:
- In einem Unternehmen dieser Größe gibt es objektive strukturelle Grenzen: Geheimhaltung, innere Obstruktion, „Stille-Post-Effekt“. Open-Space-Veranstaltungen für die MitarbeiterInnen sind oft nicht erfolgreich, viele fühlen sich überfordert.
- Präsentation und Information führen nicht zur Umsetzung in die tägliche Arbeit, es gibt ein Transfer-Problem. Sinnvoll wäre eine stärkere Institutionalisierung solcher Dinge in das Unternehmen, z.B. durch interne Trainer. Problem hierbei ist: Es gibt beim ZDF keinen internen ModeratorInnen-Pool. Grund dafür sind u. a. die Doppelbelastung durch andere Tätigkeiten, die Tatsache, dass solche Angebote bis jetzt nicht sehr geschätzt werden, sowie die große Distanz zwischen den einzelnen Unternehmensbereichen.
Diskussion
These: Das ZDF ist ein Unternehmen im Übergang, Altes und Neues prallen aufeinander.
Prof. Bartsch: Häufig gibt es in Veränderungsprozessen keine demokratische Methode, sondern nur einzelne Impulsgeber. So besteht die Gefahr von Fehlern, und die Basis ist oft verärgert über Nicht-Information.
Frau Brunner: Das ZDF ist von einem Widerspruch geprägt: Einerseits der hierarchische Aufbau, andererseits Anarchie. Es gibt oft kein geplantes Vorgehen der Geschäftsleitung, sondern informelle Gespräche von unten nach oben. Aufgrund mangelnder Kommunikation kommt es zu „Insel-Lösungen“.
Anmerkung: Ähnlich ist es an den Universitäten, es wird viel Arbeit geleistet, aber es mangelt an Abstimmung.
Beispiel: Ein Metall-Unternehmen in Frankfurt, in dem viele Ingeneure tolle Ideen hatten, diese aber für sich behielten.
ð Fazit: Dialogfähigkeit setzt einen hohen Reifegrad der jeweiligen Organisation voraus.
Frage: Kommunikation wird oft zum Zweck der Schaffung von Corporate Identity eingesetzt. Schadet dieser Mangel an Kommunikation dem ZDF nicht?
Antwort: Ja. Das ZDF ist zwar nicht so wirtschaftlich orientiert wie andere Unternehmen, aber aus Gründen der Dynamik und der Kreativität ist Kommunikation wichtig.
Beispiel: „Leitbild Verwaltungsdirektion“. An dieser Veranstaltung, die eine stärkere Identifikation mit dem Programmbereich zum Ziel hatte, nahmen etwa 400 TeilnehmerInnen teil. Die vermittelten Inhalte wurden nur bedingt angenommen, das Problem konnte auch durch gute Kommunikation nicht überwunden werden.
Anmerkung: Der WDR hat die gleichen Probleme. Es gibt keinen Willen zur externen Evaluation, es existiert ebenfalls ein Transfer-Problem, die Abteilung Aus- und Fortbildung wird nur auf Seminare festgelegt.
Frage: Ist der Re-Design-Prozess wegen der Einschaltquoten initiiert worden, und zeichnen sich schon Erfolge ab?
Antwort: Nach Erkenntnissen der Medienforschung hat die Kampagne einen hohen Bekanntheitsgrad, die Reaktionen sind positiv. Ein Imagewandel wird allerdings länger dauern.
Prof. Bartsch: Die Veränderung ist bereits nach außen sichtbar geworden, das Image ist farbiger, flexibler und offener gestaltet.
Frage: Bei Bankenfusionen, als ein Beispiel für die Etablierung von Unternehmenskommunikation, braucht der zuständige Mitarbeiter einen hohen Status und gute Informationsmöglichkeiten. Gibt es so etwas beim ZDF?
Antwort: Die Abteilung Kommunikation ist eigentlich mehr für PR zuständig, aber in letzter Zeit gab es auch hier Veränderungen (mehr Präsentationsmöglichkeiten für die Abteilungen, Zeitung und Intranet).
Anmerkung: Oft ist die Abteilung Personalentwicklung auch für die Unternehmenskommunikation zuständig. Ist das auch beim ZDF so?
Antwort: Beim ZDF gibt es keine Personalentwicklungsabteilung.
Problem: Wenn es informelle Strukturen gibt („guter Draht zum Chef“), kann eine offizielle Kommunikationsstrukturierung die informelle Kommunikation abschwächen oder einschränken?
ð Die Bildung von Strukturen allein reicht nicht, die informellen Netzwerke sind stärker. Wichtige Personen müssen mit eingebunden werden.
Beispiel: Netzwerk „Kollegiale Beratung“. Die Bildung von Netzwerken wird angeregt, und bei Führungsseminaren auch verlangt. Sie sind ein wichtiger Schritt von der Misstrauenskultur zur Vertrauenskultur.
Diese Veränderungen müssen über ein emotionales Netzwerk laufen, die Unternehmen brauchen ein „neues Gehirn für Kommunikation“.
Diese Prozesse sind sehr zeitaufwendig, noch werden die erreichten Erfolge nicht gewürdigt.
Frage: Hat das Redesign zur Veränderung von Sendeformaten geführt?
Antwort: Ja, sonst hätte es Probleme zwischen moderner Verpackung und altbackenen Sendungen gegeben. Wo das Design nicht übereinstimmte, wird erst mal noch nicht offensiv geworben, sondern langsam angenähert.
Der Prozess von unten und oben muss sich sinnvoll ergänzen, da die Sacharbeit unten geleistet wird.
Frage: Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Intendant und Personalrat?
Antwort: Der Personalrat wird frühzeitig informiert und eingebunden, und darüber hinaus sehr ernst genommen. Man ist um Konsens bemüht.
Frage: In vielen Unternehmen ist der Personalrat eher „Schutzschild“ für die einzelnen ArbeitnehmerInnen und weniger am Gesamtunternehmen interessiert. Wie ist das beim ZDF?
Antwort: Beim ZDF hat der Personalrat großes Interesse am Unternehmen und beteiligt sich auch an strategischen Prozessen. Oft bleibt dafür aber aus Gründen der Arbeitsbelastung (Personalvorgänge) keine Zeit.
Frage: Widerspricht die gute Zusammenarbeit mit dem Personalrat nicht dem eher patriarchalischen Stil des Intendanten?
Antwort: Nein, denn die Einbindung des Personalrates hat durchaus strategische Gründe, schließlich könnte dieses Gremium auch Ärger machen. Der Personalrat wird oft allerdings auch kritisch gesehen, er sei „zu konsensorientiert“.
Frage: Bei Wirtschaftsunternehmen existiert ein hoher Kapitaldruck, geht es beim Fernsehen nur um die Quote?
Antwort: Das Geld spielt durchaus eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zu den Privatsendern gibt es beim ZDF mehr Arbeitsrechte, andere Tarife und andere Qualitätsvorstellungen. Es existiert ein hoher Spardruck, teilweise auch durch Haushaltssperren.
Bei der Qualität, z.B. der Nachrichtenrecherche, wird allerdings nicht gespart, dafür gibt es Controlling und mehr Produktionsleiter, die auf Effizienz achten.
Im Unterschied zu den Privatsendern gibt es durch den Staatsvertrag wenig Wertschöpfungsmöglichkeiten. Die Verdienste und sozialen Absicherungen der Mitarbeiter sind zurückgegangen, in der freien Wirtschaft wird mittlerweile besser bezahlt.
Seit kurzen gibt es eine Initiative der Verwaltungsdirektion, die das ZDF für MitarbeiterInnen attraktiver machen soll. Familienfreundliche Maßnahmen wie eigener Kindergarten, Krippe, Hort und flexible Teilzeittarifverträge sollen die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf ermöglichen. Das Unternehmen soll so modernisiert werden.