In der Veranstaltung am 15.12.2005 referierte Dr. Joachim Koblitz über das Thema „Teamentwicklung – miteinander voneinander lernen“.
Zunächst ging er darauf ein, dass der Status der Teamarbeit sich in den letzten Jahren mehrfach gewandelt habe: galt sie noch vor einiger Zeit als überholt, stellt sie heute wieder einen wichtigen Faktor in großen und kleinen Unternehmen dar.
Um den Teilnehmern sein Konzept zu veranschaulichen, wurden zunächst zwei Personen gebeten gemeinsam einen Zollstock mit je nur zwei Fingern aus Schulterhöhe zum Boden zu führen. Dies gelang recht schnell ohne Probleme. Als unter gleichen Bedingungen dann sechs Personen das Experiment durchführten, war zu erkennen, dass Teamwork ohne Struktur zu einem wesentlich schlechteren Ergebnis führen kann, je größer die Gruppe ist. Herr Koblitz führte an, dass dies dem Tauziehen-Effekt sehr nahe komme: zwei Kontrahenten entwickeln die Kraft x, zwei auf jeder Seite hingegen ziehen nicht etwa mit der doppelten Kraft – je mehr Menschen in einem Team sind, desto schlechter wird die Leistung eines jeden einzelnen. Dies ist aus verschiedenen Gründen der Fall: die Position der Ziehenden ist nicht mehr so optimal wie bei einer einzelnen Person an jedem Ende des Seils, die Angst vor Trittbrettziehern wächst etc.
Nach dieser Einführung ging der Referent näher auf den Begriff Team ein und erklärte dessen Problematik: das Wort Teamfähigkeit werde inflationär benutzt, jeder müsse heute teamfähig sein, ohne dass der Begriff definiert wäre.
Unter der Voraussetzung, dass ein Teamentwickler eine Art Prozessbegleiter darstelle und keinen „Guru“ führte Herr Koblitz die prägnantesten Merkmale von Teams an:
- gemeinsame Visionen und Ziele (anspruchsvolle und zukunftsgerichtete Aufgabe sei die Voraussetzung)
- gemeinsame Verantwortung für das Erreichen der Ziele (jeder Einzelne müsse Verantwortung tragen, nicht delegierbar von Außen)
- anspruchsvolle Aufgabe (die durch Qualifikation zu bewältigen sei)
-
im Rahmen der Zielvorgabe selbstgesteuert handeln und nicht
von außen
(= selbstständige Wahl der Arbeitsweise, Dauer des Prozesses, mitwirkende
Personen, in selten Fällen auch den Umfang der Entlohnung für jeden einzelnen
Teilnehmer eines Teams)
- hohe Interaktionsdichte der Mitglieder (= häufiges Treffen, nicht nur sporadisch, viel persönlicher Kontakt)
(Hier wurde kurz auf den Trend zu virtuellen Teams hingewiesen, die Mulitinationalität ermöglichen. Informationen seien auf diesem Wege wohl austauschbar, so Koblitz, gemeinsame Zielvorstellungen und ein „gutes Bauchgefühl“ durch Teamarbeit seien aber kaum verwirklichbar. Ein Treffen aller Teammitglieder sei unumgänglich.)
- auf Grund der hohen Interaktionsdichte sei die Teamgröße durch ca. 3-9 Mitglieder begrenzt
-
das Team solle interdisziplinär zusammengesetzt sein
(à
vernetztes Arbeiten = gute Forschungsergebnisse)
-
durch Rollen klar strukturierte Arbeitsteilung
(Team verteilt Rollen im besten Fall selbst)
-
geplante, strukturierte, systematische Arbeitsweise
(= Unterschied zu Arbeitsgruppen, diese führten nur Befehle aus)
- selbstreflexiv bezüglich der Vorgehensweise (innehalten, analysieren)
- gemeinsame Grundüberzeugungen und Werte (Sympathie, Teamgeist)
An dieser Stelle könne Teamentwicklung einsetzen, wenn etwas schief laufe, so Koblitz.
- Spass an der Arbeit (selbstgesteuerte Organisation, gerne und freiwillig an einer Aufgabe arbeiten)
Teamdesign
Zum Thema Teamdesign, also wie ein Team zusammengesetzt sein sollte, erläuterte Herr Koblitz zwei Schaubilder, die aufzeigten, wie schwer es ist, hohe Leistungsfähigkeit, fachliche Kompetenz, Persönlichkeitsmerkmale und ein geringes Konfliktpotential in Balance zu bringen. Dies sei allerdings nur Theorie, um den betroffenen Teams die Möglichkeiten in der Teamentwicklung deutlich zu machen, so Koblitz weiter.
Gefahren für Teams und Teamarbeit
innerhalb des Teams:
- Leistungsverluste durch Koordinationsprobleme
-
Motivationsprobleme durch befürchtete Trittbrettfahrer
(Leistung muss zuzuordnen sein innerhalb des Teams)
-
Mängel bei Problemlösungen durch Gruppendenken statt
Individualität
(führt oft in die falsche Richtung, dann muss der Teamleiter die Gruppe stoppen
und das Team muss gemeinsam einen neuen Weg finden)
von außerhalb:
- Leistungsverluste wegen mangelnder Unterstützung durch die Organisation, sowohl im Team als auch dort, wo die Mitglieder des Teams während ihrer Arbeit fehlen
-
Leistungsverluste durch hohe Arbeitsbelastung
(Lösung: Teilteams, Teamaufgabe verkleinern)
-
Motivationsprobleme durch Neid aus anderen Teilen der
Organisation
(für beide Seiten Motivationsprobleme!)
Typische Aufgaben der Teamentwickler:
- Kommunikation und Koordination
- Moderation, Gesprächsführung
- Konfliktmanagement
- Führung
- Visionen und Ziele
- Feedback
- Rollenkonflikte/-erwartungen
- Gruppendynamik
- Schnittstellendefinition (wer entscheidet wann welche Informationen an wen weitergegeben werden?)
Nach diesen eher theoretischen Anmerkungen des Referenten zum Thema Teamentwicklung folgte nun eine anschauliche Grafik:
Es wurden fünf Jahre lang Anzeigen über Weiterbildungsangebote im Bereich der Teamentwicklung statistisch festgehalten, das Ergebnis war der Rückgang dieser vom Jahr 2000 bis 2004 um etwa 1/3 – dies entspricht der gesunkenen Nachfrage auf diesem Gebiet.
Das Schlagwort der von Herrn Koblitz zuletzt erläuterten Zukunftsperspektiven für die Teamentwicklung lautete „Demographische Wende“.
Die These „die Bedeutung von Teamarbeit und –entwicklung wird zunehmen“
wurde begründet durch die Punkte:
- gezielter und systematischer Wissenstransfer durch generationenübergreifende Teams
- diskontinuierliche Patchwork-Lebensläufe erfordern innovations- und lernförderliche Arbeitsstrukturen
- Lernen auf Vorrat abgelöst durch lebensbegleitendes Lernen
- Innovation ohne Interdisziplinarität wird immer schwerer vorstellbar
Zum abschließenden Teil der Sitzung seien hier folgende Fragen aufgelistet, die die Mehrheit der Teilnehmer der Sitzung stellten:
1. Gibt es Belege, dass virtuelle Teams im Beziehungsbereich schlechter funktionieren?
à wenig Studien darüber, aber bestimmte Elemente seien durch virtuelle Teams nicht zu verwirklichen, aber es würde auf bestimmten Gebieten die Aggressivität eingeschränkt
(Bsp.: Serviceteam/verärgerter Kunde)
2. Wie sind Konflikte der Vergangenheit zu bewältigen?
à im Ernstfall durch Mediation, bei kleineren Problemen durch „Schulterklopfen“
3. Welche Teamdefizite finden sich in der Praxis am häufigsten?
à Kommunikationsprobleme, Schnittstellenprobleme
Juliane Nather