Sprechkontakte: Mediation als professionelles Konfliktmanagement

VHS-Veranstaltung am 20.10.2005, Düsseldorf

Protokolliert von Juliane Nather

 

Die Veranstaltung, die unter dem Aspekt der Weiterbildung für Erwachsene angeboten wurde, befasste sich mit dem Thema Konfliktforschung, spezieller mit der Mediation als professionellem Lösungsansatz für Konflikte.

Der Referent Roland Schüler, ein Mitarbeiter des Friedensbildungswerks Köln, erklärte zunächst, dass die Mediation seit nunmehr 15 Jahren besonders auf juristischem Gebiet auf dem Vormarsch sei. Aber auch außerhalb einer juristischen Basis setze sich die Mediation als Konfliktlösungsstrategie mehr und mehr durch.

Herr Schüler stellte zu Beginn des Vortrags Unterschiede zwischen niederländischen und deutschen Konfliktsituationen dar: Während die Niederländer in solchen Situationen nach Gemeinsamkeiten suchen und dementsprechend beiderseitig zufrieden die Diskussionen verlassen würden, würden die Deutschen auf ihrem Standpunkt beharren und gingen entzweit aus Streitgesprächen heraus. Um dieser Art der destruktiven Diskussionsführung entgegenzuwirken und zu konstruktiven Streitgesprächen zu gelangen stellte Herr Schüler die Mediation als einen möglichen Lösungsansatz vor.

Diese Art der Konfliktvermittlung setze auf einen Vermittler, den Mediator, der eine völlig neutrale, außenstehende Person darstelle. Trotz unterschiedlicher Auffassungen und Interessen der in Konflikt geratenen Personen, solle es das Ziel der Mediation sein, eine zur Zufriedenheit aller Parteien beitragende Lösung zu finden, so dass allen das Gefühl vermittelt werde, den Konflikt für sich entschieden zu haben. Das dies möglich sei liege an dem Mediator, der die Vermittlung übernehme. Dieser sei selbst unbeteiligt und übernehme eine ähnliche Aufgabe wie Schiedsmänner bzw. –frauen, die als Außenstehende aus Konflikten heraushelfen würden. Herr Schüler verglich die Vorgehensweise mit der eines Gerichts, mit dem Unterschied, dass das Gericht „Recht sprechen“ müsse und damit die Vermittlung unwillkürlich in eine Entscheidung übergehen müsse.

Im Gegensatz dazu sei der Mediator nicht für die Lösung eines Konfliktes zuständig, ebenso wie Kinder, die sich streiten, bestenfalls selbst eine Lösung für ihren Konflikt suchen sollten, seien auch in diesem Fall die Betroffenen diejenigen, die eine Lösung finden müssten.

Der Mediator ebne nur den Weg zu einer solchen Lösung und lege den Rahmen des Gespräches fest:

  1. müsse das Konfliktgespräch an einem neutralen Ort stattfinden,
  2. müsse es sich um einen völlig unabhängigen Vermittler handeln und
  3. stelle der Mediator vor der Diskussion Gesprächsregeln auf, an die sich alle Beteiligten halten müssten.
    Diese lauteten:
    das Gegenüber ausreden lassen und ohne Beleidigungen diskutieren.
    Die Tatsache aussprechen zu dürfen, gebe dem Redner die Möglichkeit, danach aufgeschlossen für die Gegenseite zu sein. Ein Gespräch ohne Beleidigungen jeglicher Form zu führen bedeute eine achtsame Sprache zu wählen, so dass das Gegenüber ernst- und wahrgenommen werden könne.

Ein weiterer wichtiger Punkt, den Herr Schüler ansprach, ist jener, dass der Mediator keine Verantwortung für den jeweiligen Konflikt übernehme, diese bliebe einzig bei den streitenden Parteien (es könne sich dabei übrigens durchaus um mehr als zwei handeln).

Ein Konfliktgespräch im Rahmen der Mediation laufe nach folgendem Schema ab:

  1. Einleitung (die weiter oben im Text aufgeführten Regeln würden allen Beteiligten nahe gelegt)
  2. die Darstellung des Konfliktes aus der Sicht eines jeden Einzelnen, der Mediator höre nur zu und lasse die Aussagen zunächst so im Raum stehen
  3. das Klären bzw. Erhellen des Konflikts, es werde näher auf die Interessen, Gemeinsamkeiten und unterschiedlichen Bedürfnisse des Einzelnen eingegangen.
    Auf dieser gemeinsamen Basis sollten die Parteien dann zusammen
  4. eine Lösung finden.

Durch diese Vorgehensweise solle den Betroffenen klar werden, dass nicht jeder sein eigenes Problem habe, sondern dass es sich um ein gemeinsames Problem handele. Diese Gemeinsamkeit solle dann beiderseits zu einem Entgegenkommen führen, um anschließend die bestmögliche Lösung aus den Vorschlägen der Beteiligten herauszusuchen und zum letzten Punkt der Strategie zu führen:

  1. eine Übereinkunft der Parteien, die durch eine wie auch immer geartete Besiegelung eine verbindliche Lösung für alle darstelle.

Durch die geleistete Eigenarbeit führe diese Art der Problemlösung zu einem nachhaltigen Ergebnis und fördere die Selbstsicherheit und innere Stärke eines jeden Beteiligten zur Bewältigung späterer Konflikte.

Wichtig sei, dass die oben aufgeführte Reihenfolge eingehalten würde und nicht z.B. bereits zu Beginn des Gesprächs auf Lösungsvorschläge eingegangen würde.

Schwieriger seien Fälle, die extrem emotionsgeladen seien (z.B. Scheidungen), da dann die Selbstbeherrschung und –reflektion wesentlich stärker sein müsse – wer sich über sich selbst nicht im Klaren sei, könne auch keinen klaren Standpunkt beziehen.

Zum Abschluss des ersten Teils seines Vortrags erläuterte Herr Schüler noch das Phänomen der Schulstreitschlichtung:

Schüler würden die Verfahren der Mediation erlernen um Streitigkeiten selbst lösen zu können – kein einfaches Unterfangen bei der heutigen durch Elternhaus und Medien vermittelten Streitkultur. Um so interessanter Herrn Schülers Einwurf, dass die „Rabauken“ unter den Schülern später häufig selbst Mediatoren werden würden!

Zusammenfassend stellte Herr Schüler fest, dass die Mediation auf den unterschiedlichsten Gebieten zum Einsatz komme:

in Familien, Schulen, Betrieben und Großkonzernen ebenso wie bei der Vor- und Nachbearbeitung von Kriegen und in internationalen Konflikten.

 

Nach einer Pause hatten die Teilnehmer der Veranstaltung dann die Möglichkeit ihre Fragen an den Referenten zu richten.

Im Folgenden sind die prägnantesten Fragen samt Antworten des Referenten aufgeführt:

  1. Ist es möglich Konfliktparteien zu einem Mediationsgespräch zu verpflichten?
    Herr Schüler würde diesen Vorgang, der durchaus von einer fürsorglichen Instanz veranlasst werden könne, nicht als Verpflichtung, sondern als „pragmatische Mediation“ bezeichnen. Häufig käme diese Art der Konfliktlösung in Amerika zu Stande, z.B. bei straffällig gewordenen Jugendlichen etc..
    Aber auch hier in Deutschland werde eine Mediation häufig dann „von oben angeordnet“, wenn Systeme betroffen seien (Schule, Firma usw.), deren ganze Ordnung durch Konflikte gestört sei.
  2. Wie kommt es zu unterschiedlichen Konfliktformen in den einzelnen Ländern?
    Herr Schüler erläuterte, dass die Konfliktformen meist mit den Gesellschaftsformen eines Landes zusammenhängen würden. Während die Niederländer sich im Ernstfall aufeinander zu bewegen würden, könnten die Deutschen meist die hierarchischen Strukturen, in denen sie sich bewegen, nicht verlassen.
    Die amerikanische Gesprächskultur bestünde aus zwei Seiten, habe aber meistens eine Konsensbasis, so Herr Schüler weiter.
  3. Wer sucht den Mediator aus?
    Welche Partei den Vermittler auswähle sei unwichtig. Entscheidend sei, dass der Mediator einen unabhängigen Standpunkt vertrete und außer der Anfrage keinen weiteren Kontakt zu der anfragenden Partei habe, bevor es zum Lösungsversuch komme. Als Einschub erläuterte der Referent, dass manche Menschen den Konflikt als Lebensaufgabe verstünden und durch dessen Lösung nur Verlust empfinden würden. Hier könne dann auch der Mediator nicht mehr helfend zur Seite stehen, da grundsätzliche Probleme die Basis zur Konfliktlösung unmöglich machen würden.
  4. Wie viel Prozent der Konfliktgespräche auf medialer Basis führen zu einem positiven Ausgang für alle Beteiligten?
    Leider ist Herr Schüler nicht weiter auf diese Frage eingegangen, hat aber erläutert, dass leider nur 50% aller Anfragen auch wirklich zu einem Gespräch führen würden.
  5. Ist es möglich eine Lösung zu finden, obwohl eine Feindschaft zwischen den Beteiligten weiter bestehen bleibt?
    Grundsätzlich kann ein Konflikt nach Herrn Schüler durchaus gelöst werden auch wenn die Parteien weiterhin verfeindet bleiben. Sie hätten dann allerdings gelernt nebeneinander zu leben. Eine grundsätzliche Verhaltens- und Einstellungsänderung könne durch eine Mediation aber generell nicht erreicht werden.
  6. Online-Mediation als sinnvoller Ersatz zur persönlichen Mediationssitzung?
    Herr Schüler erklärt, dass eine so genannte „Schattenmediation“ in manchen Fällen (z.B. Scheidung) sinnvoller sein könne. Oft führe diese Art der Mediation nachher zu einem Abschlussgespräch auf persönlicher Basis – die Online-Mediation stelle also eine Art Einstieg in eine Problemlösung dar.
  7. Wie wird mit unterschiedlichen Machtverhältnissen umgegangen?
    Der Mediator stelle während der Gespräche die mächtige Instanz dar, Machtverhältnisse unter den Betroffenen blieben grundsätzlich „vor der Tür“. Dennoch räumt Herr Schüler ein, dass das ungleiche Machtverhältnis z.B. zwischen Mutter und Kind oder Chef und Angestelltem nicht völlig ausschaltbar sei, man müsse darauf achten, auf menschlicher Konfliktebene zu arbeiten.

 

 

Abschließend fasste Herr Schüler zusammen, dass die Mediation ein strukturiertes Verfahren zur Konfliktlösung darstelle. In Fällen von unlösbaren Konflikten müsse man zwischen sachlich nicht lösbaren Situationen und Unlösbarkeit auf Grund der einzelnen Menschen unterscheiden.