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Reden im Studium (Frankfurt/M.:
Cornelsen Scriptor) Konzept eines
rhetorischen Übungsprogramms für Studierende Dr.
Marita
Pabst-Weinschenk Manuskript
eines Vortrags auf der Tagung der GAL e.V. in Kassel, 29.09.1995 Neben dem Lesen und Schreiben ist das Reden die
wichtigste Tätigkeit im Studium jeder Wissenschaft: Von der Vorlesung über
Seminarveranstaltungen, Praktika, Arbeitsgruppen ... bis hin zum Kontakt zur
Sekretärin oder zu Kommilitonen in der Mensa - überall wird miteinander
geredet. Das Studium selbst ist ein Kommunikationsprozeß. Und das gilt nicht
nur für die Geistes- und Sozialwissenschaften, in denen viel geredet wird, weil
vieles Auslegungssache ist. Selbst Mathematiker müssen sich gelegentlich über
Axiome, Formeln und Beweise verständigen, und Informatiker kommunizieren nicht
nur mit dem System am Großrechner. Die Befähigung zum Reden ist eine sogenannte Schlüsselqualifikation,
die im Studium in der Regel als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Es wird
z.B. erwartet, daß Studierende durch Referate zu bestimmten Themen ihre
Studienleistungen erbringen und damit die Scheine erwerben, die zum Abschluß
des Studiums führen. Meine Erfahrungen an der Hochschule wie auch in
Weiterbildungsseminaren in Management und Verwaltung haben mir aber immer wieder
gezeigt, daß man Redefähigkeiten nicht einfach voraussetzen kann, sondern daß
man auch sie vermitteln muß. Werden grundlegende Redefähigkeiten nicht während
der Schul- und Studienzeit erworben, müssen sie später im Berufsleben
nachgeholt werden. Die Defizite bei den Redefähigkeiten der
Studierenden, aber auch der Lehrenden (!) beeinträchtigen die Qualität der
Lehre: ·
Wenn
Referate oder Vorlesungen z.B. so langweilig sind, daß man trotz aller guten
Vorsätze nicht zuhört, liegt das nicht immer nur am Thema. Vielleicht ist der
Aufbau schlecht. Wenn Beispiele und anschauliche Medien fehlen oder der
Vortragende monoton oder zu schnell spricht, weil er abliest, beeinträchtigt
das die Konzentration und das Verständnis der Zuhörer. ·
Wenn
Studierende sich nicht trauen, selbst ein Referat zu übernehmen, sondern immer
auf schriftliche Seminararbeiten ausweichen, haben sie vielleicht eine falsche
Einstellung zum Reden, auf jeden Fall aber mangelnde Routine. Routine kann man
nicht erwerben, wenn man sich nicht traut. Daraus kann schnell ein Teufelskreis
entstehen. Das Wissen über rhetorische Wirkungen und praktische Übungen können
hier Sicherheit vermitteln. ·
Wenn
Arbeitsgruppen in langen, ausufernden Besprechungen nur geringe Ergebnisse
erzielen, sind alle frustriert. Viele ziehen sich zurück, arbeiten lieber
allein. Aber das Verstehen komplexer Zusammenhänge ist auch in Einzelarbeit mühsam.
Effektive Gespräche wären eine gute Hilfe. ·
Wenn
Seminardiskussionen ineffektiv sind, liegt es nicht nur an der Größe heutiger
Massenveranstaltungen. Ursache ist oft ein schlechtes Klima zwischen Dozenten
und Studierenden und den Studierenden untereinander. Das entsteht z.B., wenn
Eine kompetente Gesprächsführung aller Beteiligten verbessert das Klima
und damit auch die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Die wissenschaftliche wie auch die fachdidaktische
Literatur reflektiert und begründet rhetorische Einzelphänomene oder allgemein
rhetorische Kommunikation, stellt aber in der Regel zu wenig Bezüge zur
rhetorischen Handlungspraxis der Lesenden/ Lernenden her (vgl. z.B.
Bausch/Grosse 1985; Dyck 1974; Geißner 41978,
1981, 1982; Plett 1977; Praxis Deutsch 1979) . Die herkömmliche rhetorische
Ratgeberliteratur ist vielfach nicht nur rezeptologisch (vgl. Bremerich-Vos
1991) und damit ungeeignet beim Erwerb grundlegender Redefähigkeiten, die der
Einzelne flexibel auf verschiedene Sprechsituationen übertragen können sollte,
sondern berücksichtigt auch die spezifischen Bedürfnisse von Studierenden zu
wenig. These 1 : Es besteht ein Bedarf an handlungsorientierten Lernkonzepten für
Studierende im Bereich der Rhetorik.[1] Wie können Studierende mit einem Übungsprogramm
grundlegende Redefähigkeiten erwerben? Wenn entsprechendes Material und
sinnvolle Übungsanleitungen vorliegen, wie man sie z.B. aus der Freiarbeit und
den Montessori-Materialien kennt, können Studierende zum Teil in Einzelarbeit,
zum Teil in Kleingruppen arbeiten, Reden üben, gemeinsam ihre Erfahrungen
reflektieren, Situationen simulieren etc. Es könnte aber auch eine ganze
Seminargruppe, die sich inhaltlich mit einem Thema beschäftigt, parallel -
evtl. mit Tutor/Innen - das Übungsprogramm erarbeiten, d.h. die vorgeschlagenen
Übungen zu den inhaltlich fixierten Aspekten des Seminarthemas durchführen.[2]
These 2: Ideal ist ein Übungsprogramm zur freien, selbständigen Arbeit, das
wissenschaftliche Ansprüche erfüllt. In einem wissenschaftlich fundierten Übungsprogramm
werden nicht bruchstückhaft einzelne rhetorische Erfahrungen als Patentrezepte
vermittelt, sondern auf der Grundlage kommunikationstheoretischer und
sprechwissenschaftlicher Erkenntnisse werden allgemeine rhetorische Kriterien
entwickelt, die für jede Sprechsituation zu reflektieren sind. Grundlage ist in meinem Verständnis das Modell von
Karl Bühler (1934), der die Sprachfunktionen systematisiert und damit den
Werkzeugcharakter der Sprache herausgestellt hat. Ergänzt werden die Begriffe Inhalts-
und Beziehungsaspekt, die Paul Watzlawick et al. in den 70er Jahren populär
gemacht haben. Das Bühlersche Modell kann man als kommunikatives
Netzwerk betrachten, und es zugleich zur Ableitung grundlegender Redesorten
verwenden. Beim Reden wirken immer alle Faktoren zusammen; jede Rede ist dreifach bestimmt: Der Sprecher drückt sich aus, auf
den Zuhörer wird eingewirkt und die Sache wird dargestellt. Zu Störungen der
Verständigung kann es an den verschiedenen Stellen im kommunikativen Netzwerk
kommen. Darüber hinaus kann man unterschiedliche Redesorten nach dem
vorherrschenden Bezug auf Sprecher, Zuhörer oder Sache differenzieren:
Diese Einteilung in Redesorten geht von der Intention aus und bietet
zugleich einen sinnvollen Ansatzpunkt für die Redevorbereitung.
Bei der Ableitung von Gesprächssorten kann man von der Differenzierung Inhalts-
und Beziehungsaspekt ausgehen und personenorientierte Gespräche
(Unterhaltung/Small talk, mehr oder weniger verbindlich je nach Intensität
einer unproblematischen Beziehung, bis hin zum Streit bei gestörter Beziehung)
von sachorientierten Gesprächen unterscheiden (Klärungs- oder
Entscheidungsgespräch bzw. Konfliktlösungsgespräch,
wenn Störungen der Beziehungsebene zum Zwecke der Verbesserung
thematisiert werden).
Die rhetorischen Kriterien können
in einer dreiseitigen Pyramide
zusammengefaßt werden. Bei dieser Darstellung wird versucht, den
Interdependenzen zwischen Form, Inhalt und persönlichen kommunikativen
Einstellungen Rechnung zu tragen:
Der erste Eindruck ist immer am stärksten von der äußeren Form (Seite
1) bestimmt; sie leitet aber auch das Verständnis des inhaltlichen Konzept der
Sprechsituation (Seite 2); und aus beiden zusammen zieht man als Zuhörer Rückschlüsse
auf die Persönlichkeit des Sprechers, auf seine kommunikativen Einstellungen
(Seite 3). Zu
Seite 1: Die Körpersprache bildet das Fundament, darauf baut sich der Sprechausdruck und schließlich die Wortsprache auf. Die Entwicklung von der Körpersprache zur Wortsprache kann man sowohl menschheits- als auch individualgeschichtlich feststellen: Ähnlich wie sich die verschiedenen Menschheitssprachen aus den ersten Lauten der Urmenschen bei der Verständigung im gemeinsamen Tätigkeitsprozeß herausgebildet haben, so erwerben kleine Kinder in aller Welt die Wortsprache aus den ersten körpersprachlichen und lautlichen Äußerungsformen: Strampeln, Schreien usw. Erst im Laufe der Jahre wird nach und nach das differenzierte System der Wortsprache erlernt, die Bedeutungen werden aus dem Handlungskontext herausgelöst. Die Wortsprache ist also das höchst entwickelte und zuletzt erworbene Verständigungssystem (vgl. Lurija 1982, S. 29). Diese Entwicklung, die jeder gesunde Mensch durchlebt hat, wirkt immer mit, wenn wir reden. Treten z.B. Probleme bei der Formulierung auf, sei es, daß dem Sprecher ein passendes Wort fehlt oder der Gesprächspartner bestimmte Wörter nicht versteht, wird automatisch auf das einfachere, zugrundeliegende System der Körpersprache zurückgegriffen: Wir gestikulieren oder zeigen auf etwas. Auch die Einschätzung von Glaubwürdigkeit folgt dieser Entwicklung: Dem Augenschein der Körpersprache und der Anschaulichkeit des Sprechausdrucks glaubt man immer mehr als den Worten. Offensichtlich ist dies bei ironischen Äußerungen wie Das hast du fein gemacht oder Ich werd dir helfen. Werden sie nicht mit freundlichem Ton, netter Mimik und offener Gestik gesagt, weiß jeder - trotz des positiven Wortsinns -, daß Kritik, Tadel bzw. eine Drohung gemeint ist. Oder wenn jemand z.B. mit verärgertem, aggressivem Sprechausdruck behauptet, er sei nicht aggressiv, glaubt ihm niemand; man denkt vielmehr, daß er sehr wohl verärgert ist, aber seinen Ärger nicht zugeben will. Körpersprache und Sprechausdruck leiten immer unser Verständnis.[3] Zu
Seite 2: Das inhaltliche Konzept bezieht sich nicht nur auf die Sache; es geht vielmehr um das Konzept der gesamten Kommunikationssituation: Wie wird die Sache (S) dargestellt? Wie drückt sich der Sprecher (Sp) aus? Wie wirkt er auf den Zuhörer (Zh) ein? Welche Beziehung entsteht? Wie sind die gegenseitigen Einschätzungen der Situation (Sit)? Welches Hauptziel wird verfolgt? Auf der Basis dieser Einschätzung der Kommunikationssituation werden eine passende Gliederung und geeignete Argumentationsstrategien, Fragetechniken, Antwortmöglichkeiten etc. ausgewählt. Zu
Seite 3: Kommunikative Einstellungen erwachsen aus der Kommunikationsbiographie eines Menschen und lassen sich zurückführen auf die zentrale Frage, ob Kommunikation als Konkurrenz oder Kooperation eingeschätzt wird. These 3: Einem rhetorischen Übungsprogramm sollte ein umfassendes Über das grundlegende Fachverständnis hinaus müssen
Formen und Möglichkeiten des Lernens reflektiert werden. Es geht um die
didaktische Relevanz, den Zielgruppenbezug und die Bedeutung des zu lernenden
Gegenstands für den Lernenden. Für den Bereich rhetorischen Lernens gilt: ·
Zur
didaktischen Relevanz: Es müssen die theoretisch als grundlegend erkannten
Sprechsituationen differenziert werden. Dabei spielen Unterscheidungen nach Räumlichkeiten,
Anzahl der Teilnehmer/Innen, festgelegte Rollen etc. nur eine untergeordnete
Rolle. Entscheidend ist die grundlegende Zielorientierung, abgeleitet aus dem
Kommunikationsmodell. ·
Zum
Zielgruppenbezug: Es müssen die verschiedenen, für Studierende relevanten
Sprechsituationen im Vordergrund stehen. Bei ihrer Thematisierung werden die
rhetorischen Kriterien erläutert und dazu werden diverse praktische Übungen
entwickelt. These 4: Rhetorisches Lernen ist keine rein kognitive Aneignung von Wissen, sondern ein Beitrag zur Persönlichkeitsbildung. Denn neben Erkenntnissen (vgl. die 2. Seite der
Pyramide!) werden immer zugleich auch Erfahrungen gesammelt: Das Reden ist ein
Prozeß, der immer auch emotional erlebt wird, und beim Reden und durch das
Reden werden Verhaltensroutinen (vgl. die 1. Seite der Pyramide!) und
Einstellungen (3. Seite!) herausgebildet. Daraus ergeben sich Konsequenzen für die Gestaltung
von rhetorischen Lernprozessen: 1. Persönliche Betroffenheit schaffen:
2.
Ganzheitliches Lernen:
3. Learning by doing: Umsetzung
der rhetorischen Essentuals und Kriterien in Übungen, die Erfahrungslernen ermöglichen. These 5:
Eine sinnvoller didaktisch-methodischer Aufbau kann nicht einfach der
Sachsystematik folgen. Zur Erarbeitung einer sinnvollen Reihenfolge bei der
Fokussierung auf einzelne Aspekte im rhetorischen Lernprozeß reichen die bisher
vorgestellten Überlegungen noch nicht aus. Geht man davon aus, daß der Lehr-/Lernprozeß
selbst ein Kommunikationsprozeß ist, sind folgende rhetorische Prinzipien auch
bei der Konzeption einer Reihenfolge zu berücksichtigen: ·
Transparenz:
allgemeine methodische Überlegungen und theoretischen Überblick zu Beginn als advanced organizers; ·
Motivierende
Abholer für
die Zielgruppe; ·
vorrangig
induktives Vorgehen:
Problem-Lösungs-Schema für die Erarbeitung; ·
vom
Einfachen zum Komplexen
(erst einfache Sprechdenk-Übungen, dann kompletter Redeaufbau); erst
inhaltsbezogene Situationseinschätzung, dann einzelne Formaspekte, wobei der
Sprachstil immer stark, gerade bei Studierenden im Bewußtsein ist, deshalb
vorgezogen, aber auf jeden Fall nach den Sprechdenk-Übungen; ·
Reduktion
von Komplexität durch einfache Grundmuster, denen eine weitreichende Bedeutung zukommt: Das rhetorische Grundmuster für Gespräche und Reden ist: Frage und
Antwort. Mit diesem Grundmuster kann man von der Redevorbereitung bis zur
Aussprache nach dem Referat und der Behandlung von Einwänden umgehen. ·
Ferner
ist es meines Erachtens in der Erwachsenenbildung empfehlenswert, von
Rede- zu Gesprächsübungen fortzuschreiten, auch wenn die Grundform des
Redens der Dialog ist[4]:
Wie kann nun im
Einzelnen ein sinnvoller Aufbau aussehen? Ich habe ein Übungsprogramm in 15 Einheiten
entwickelt. Das Konzept liegt inzwischen in Buchform vor: Reden im Studium (Frankfurt: Cornelsen Scriptor 1995). Darin werden die verschiedenen Aspekte folgendermaßen
in 15 Kapiteln angeordnet: Kapitel 1
vermittelt grundsätzliche Hinweise zur Lernmethodik (learning by doing,
konstruktive Kritik, nicht vor dem Spiegel üben, einzelne handhabbare Lernziele
setzen etc.), gibt Orientierung über unterschiedliche Redestile (direkt bzw.
indirekt) und leitet an bei der rhetorischen Bestandsaufnahme: Den
persönlichen Ansatzpunkt finden. Kapitel 2
beschäftigt sich mit der Sache, es geht um Grundlagen
aus der Kommunikationstheorie: Kommunikationsmodell, Inhalts- und
Beziehungsaspekt, Reden in verschiedenen Situationen, Unterscheidungen von
Redearten nach vorherrschendem Ziel, dem Dialog als Grundform und Frage -
Antwort als Grundmuster. Das Zusammenwirken von Person, Inhalt und Form sowie
der verschiedenen Zeichenebenen (Körpersprache, Sprechausdruck und
Formulierung) wird in dem Modell einer Redepyramide dargestellt. Kapitel 3
ist der grundlegenden Fähigkeit beim Reden gewidmet: Sprechdenken
üben. Die Verfertigung der Gedanken beim Reden (nach Kleist) wird in
Zusammenhang mit dem inneren Sprechen (Wygotski u.a.) gesetzt. Mit verschiedenen
Übungen sollen die Studierenden die Funktion des Sprechens im Hinblick auf das
Denken erkennen und unterschiedliche Formen inkrementeller Sprachproduktion üben:
vom halblauten Lesen zum besseren Verständnis, über Selbstgespräche zum
Brainstorming und freien Reden mit unterschiedlichen Hilfsmitteln. Kapitel 4
behandelt die Unterschiede zwischen geschriebener und gesprochener Sprache: Verständlich reden. Es geht um die Verständlichkeitskriterien,
Nominalstil, Klammersätze, Phrasen, Füllwörter usw. Kapitel 5
verdeutlicht die Unterschiede zwischen Behaupten und Begründen: Besser argumentieren. Es werden verschiedene Möglichkeiten des
Argumentierens gezeigt: deduktives Schlußfolgern, Syllogismen, allgemeines
Argumentationsschema mit rationalen, plausiblen und moralischen Stützen. Vor
manipulativen Taktiken (Schopenhauers Eristik bis zur heutigen Rabulistik) wird
gewarnt, weil sie die Glaubwürdigkeit untergraben. Kapitel 6
beschäftigt sich mit dem Aufbau. Es heißt: Referate
für Zuhörer gliedern - Zur Psycho-Logik. Die Studierenden lernen das
einfache Grundmodell kennen, nachdem es bereits in Kapitel 2 (verbaler Hinweis:
Sich mit Fragen und Antworten vorzubereiten!) und in Kapitel 3 (Zusammenfassung
des Grundmodells in Form eines Tafelbildes als Beispiel für andere Formen von
Stichwortzetteln!) erwähnt worden ist. Bewährte Einstiege und Schlußpunkte
mit Beispielen sowie verschiedene Möglichkeiten für die Strukturierung von
Vorträgen aus der Rederhetorik folgen. - Das zentrale Problem dieses Buches
macht sich in diesem Kapitel am deutlichsten bemerkbar: Losgelöst von einzelnen
Referatsthemen kann man keine Gliederung entwerfen, deshalb können nur
allgemeine Raster und Prozeßmodelle gezeigt werden, die die Studierenden auf
ihre jeweiligen Themen selbst umlegen müssen. Kapitel 7
beinhaltet Fragen zum Einsatz von Medien:
vom Thesenpapier über Tafel, Flip Chart, OHP, Video-Clips usw. wird auf Möglichkeiten
hingewiesen und allgemeine Hinweise zum
Umgang und zur Gestaltung gegeben (bis hin zur Farbgestaltung!). Kapitel 8
stellt die Bedeutung des Sprechausdrucks dar: "Der
Ton macht die Musik!" Anhand von Beispielen werden die einzelnen
sprecherischen Mittel verdeutlicht und auf ihre allgemeine Wirkung als
Metamitteilung, die den Sinn der Worte kommentiert, hingewiesen. Übungen: vom
Transkript zur bewußten Wahrnehmung dieser sprecherischen Phänomene bis hin
zur Sprechübung: einen Text sprecherisch zu gestalten. Kapitel 9
gibt einen Überblick über die Körpersprache
und sagt, worauf es ankommt: ursprüngliches Ausdrucksmittel des Menschen,
Hilfsfunktion beim Sprechdenken und zusammen mit dem Sprechausdruck ständige
Metamitteilung, die das Verständnis der Worte für Zuhörer leitet. Kapitel 10
geht der Frage nach: Lampenfieber beim
Referat? Man erhält Hinweise, was man dagegen tun kann: richtige Atmung,
keine Beruhigungsmittel, positives Denken. Kapitel 11
thematisiert Die richtige Einstellung zum
Reden: Kommunikationsbiographie, Sicherheitszonen, positives Denken,
Kooperation als Leitidee, Cohns TZI, Fisher/Urys Harvard-Verhandlungskonzept bis
zu Gordons Konferenzmethode. Kapitel 12
behandelt Die Aussprache nach dem Referat.
Die Studierenden lernen die dafür wichtigen Elemente der Gesprächsführung:
Behandlung von Einwänden, Antwortmöglichkeiten usw. Kapitel 13
vertieft die Gesprächsrhetorik. Worauf kommt es an beim Diskutieren?
Ping-Pong-Regel, Fragemöglichkeiten, Gesprächsverlaufskontrolle, Gesprächsleiteraufgaben,
Umgang mit schwierigen Gesprächsteilnehmern bis hin zu Grundlagen der Geschäftsordnung,
die geregelte Abläufe in größeren Gruppen ermöglichen und die
formaldemokratischen Grundlagen der Gesprächsführung darstellen. Kapitel 14
gibt wichtige Hinweise zum Prüfungsgespräch
und der optimalen Vorbereitung darauf: Simulation im Rollenspiel und zugleich Überprüfung
des Lernerfolgs bei der Überarbeitung eines Referatanfangs. Kapitel 15
handelt von Reden zu bestimmten
Gelegenheiten: Auch kleine Feierreden gehören mit zur sozialen Kompetenz
von Studierenden. Deshalb wird zum Schluß auf diese Sonderform eingegangen. Man könnte einwenden, daß Reden als mündliche
Kommunikation am besten mündlich zu vermitteln ist. Das stimmt. Nicht umsonst
gibt es bei dem Nachholbedarf an rhetorischer Bildung seit Jahrzehnten eine große
Nachfrage nach entsprechenden Seminaren in den verschiedenen
Bildungseinrichtungen. Wenn Studierende die Gelegenheit haben, an einem
praktischen Rhetorik-Seminar teilzunehmen, sollten sie es tun. Die Erfahrungen
in einer Lerngruppe kann kein Buch bieten. Ein Buch ist immer abstrakter und theoretischer als
ein Seminar. Es bietet den Vorteil einer umfassenden Darstellung, und es ist
nicht so schnell vergänglich wie das gesprochene Wort. Man
kann einzelne Teile bei Bedarf mehrmals lesen oder etwas Bestimmtes
nachschlagen. Trotzdem: Wenn man Reden lernen will, muß man selbst
etwas tun, man muß es selbst praktisch ausprobieren. Deshalb werden in dem Buch
neben den Erklärungen, Hinweisen und Tips immer wieder Übungen finden. Wie kann mit
dem Buch gearbeitet werden? Einige grundlegende Arbeitshinweise zeigen den
sinnvollen Umgang: 1. Von der
ersten bis zur letzten Seite
Es ist empfehlenswert, das Buch vollständig von vorn bis hinten, also
von der ersten bis zur letzten Seite, durchzuarbeiten. Der Aufbau folgt dem
Lernprozeß: Was kann man am besten in welcher Reihenfolge lernen? So setzen
nachfolgende Kapitel immer die Inhalte und Kenntnisse der vorangehenden voraus,
und die nachfolgenden erweitern und spezifizieren die vorangehenden Kapitel.
Redefähigkeit ist nicht die Summe einzelner Aspekte, auch wenn diese in
einem Buch nacheinander abgehandelt werden. Querverweise zwischen den einzelnen
Kapiteln weisen auf Zusammenhänge hin und geben zusätzliche Orientierung. 2. Schnelle
Hilfe durch das Sachregister
In dem Sachregister findet man die wichtigsten Stichwörter zur
praktischen Rhetorik von A bis Z. Das ermöglicht einen schnellen Zugriff, wenn
man etwas Bestimmtes sucht oder später noch einmal etwas nachlesen möchte. 3. Übungen in
jedem Kapitel 4. Lösungen
Zu allen Aufgaben gibt es in einem gesonderten Teil am Ende des Buches
Hinweise zur Lösung. Je nach Aufgabe handelt es sich dabei um Antworten,
weiterführende Hinweise oder Zusammenstellungen, die man zum Vergleich oder zur
Analyse benötigt, bzw. Beispiele. 5. Weiterführende
Literatur?
Über Rhetorik ist schon viel geschrieben worden; in jeder öffentlichen
Bibliothek findet man rhetorische Literatur. Darum wird in dem Lern- und Übungsbuch
im einzelnen auf weiterführende Hinweise verzichtet. Wer sich darüber einen Überblick
verschaffen möchte, kann in den im Literaturverzeichnis aufgeführten
Bibliographien nachschlagen. Nur bei direkten Bezügen auf andere Autoren wird
die übliche Zitierweise verwendet.
Dennoch ist das Buch nicht theorielos, sondern zeigt im didaktischen
Zugriff auch ein neues integratives Konzept, das sowohl auf Bühler (1934) als
auch auf sprechwissenschaftlichen Traditionen (Drach, Winkler, Geißner, vgl.
Pabst-Weinschenk 1993/1, 1993/2) aufbaut. Die Grundzüge habe ich hier kurz umrissen, z.T. wird
das zugrunde gelegte kommunikative Verständnis auch in Kapitel 2 des Buches
expliziert, allerdings ohne weitläufige wissenschaftliche Einordnung oder Begründungen,
denn die Leser/Innen sollen vor allen Dingen selbst reden lernen und nicht
vorrangig nur etwas über das Reden-Lernen wissen. Literatur Bausch, K.-H.; Grosse, S. (Hg., 1985): Praktische Rhetorik. Beiträge zu ihrer Funktion in der Aus- und Weiterbildung. Mannheim Bremerich-Vos, A. (1991): Populäre rhetorische Ratgeber. Historisch-systematische Untersuchungen. Tübingen Bühler, K. (1934): Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Jena. Ungekürzter Nachdruck, Stuttgart, New York 1982 Drach, E. (1922): Wissen und Können. Ein Beitrag zur Bildung des neuen Lehrers. In: Allgemeine deutsche Lehrerzeitung (Berlin), Nr. 29/30 (28.02.1922), 340-342 Dyck, J. (Hg., 1974): Rhetorik in der Schule. Kronberg/Ts. Endres, W. et al. (1991): mündlich gut. Weinheim/Basel. Geißner, H. (Hg., 41978): rhetorik. München (bsv) Geißner, H. (1981): Sprechwissenschaft. Theorie der mündlichen Kommunikation. Kronberg/Ts. Geißner, H. (1982): Sprecherziehung. Didaktik der mündlichen Kommunikation. Kronberg/Ts. Kleist, H. v.: Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden. An R[ühle] v[on] L[ilienstern]. 1805/06. Aus: Anekdoten. Kleine Schriften. München 1964, S. 53 - 58 Lurija, A.: Sprache und Bewußtsein. Berlin 1982 Pabst-Weinschenk, M. (1991): 'Von der Rede zum Gespräch'. Zur Didaktik der rhetorischen Kommunikation in der Erwachsenenbildung. In: Lüschow, Pabst-Weinschenk (Hg.): Mündliche Kommunikation als kooperativer Prozeß. Festschrift für E. Bartsch. Frankfurt/M., Bern, New York, 42-54 Pabst-Weinschenk, M. (1993/1): Die Konstitution der Sprechkunde und Sprecherziehung durch Erich Drach. Faktenfachgeschichte von 1900 bis 1935. Magdeburg/Essen Pabst-Weinschenk, M. (1993/2): Erich Drachs Konzept der Sprechkunde und Sprecherziehung. Ein Beitrag zur Geschichte der Sprechwissenschaft. Magdeburg/Essen Pawlowski, K.; Lungershausen, H.; Stöcker, F. (1985): Jetzt rede ich. Ein Spiel- und Trainingsbuch zur praktischen Rhetorik. Wolfsburg Plett, H.J. (Hg., 1977): Rhetorik. Kritische Positionen zum Stand der Forschung. München Praxis Deutsch (1979): Rhetorische Kommunikation. Heft 33 Watzlawick, Beavin, Jackson (1969): Menschliche Kommunikation. Bern Wygotski, L. S.: Denken und Sprechen. (1934) Frankfurt/M. 1977 [1]
Auf zwei Konzeptionen, die in dem hier intendierten Sinne learning by
doing ermöglichen und ein umfassendes Verständnis von rhetorischer
Kommunikation vertreten, sei an dieser Stelle hingewiesen: Endres, et al.
(1991) legen Übungsrunden für Schüler/Innen der Sekundarstufe I (Kl.
7-11) vor, die in Eigenregie durchgearbeitet werden können; und Pawlowski
et al. (1985) haben Bausteine für erwachsene Lerngruppen in der freien
Bildungsarbeit zusammengestellt. [2]
Das pädagogische Ideal, das hinter solchen Vorstellungen steht, ist
die Organisation universitären Lehrens und Lernens nach dem Prinzip des
Arbeitsunterrichtes; ein Ideal, das schon Drach, der Begründer der modernen
Sprechkunde und Sprecherziehung in den 20er Jahren anstrebte, leider
vergeblich (vgl. Drach 1922; auch Pabst-Weinschenk 1993/1, 1993/2). Gerade
angesichts der finanziellen Misere im Bildungsbereich, der oft rigorosen
Stellen- und Mittelstreichungen, muß man feststellen, daß fortschrittliche
Lehr- und Lernformen rückläufig sind. Denn Projekte oder mit Gruppenarbeit
organisierte Einführungsveranstaltungen oder interdisziplinäre
Ringveranstaltungen sind etwas kostenintensiver als der herkömmliche
Universitätsbetrieb mit Vorlesungen und Seminaren: Man braucht mehr
Tutor/Innen, hat einen erhöhten Zeitaufwand für gemeinsame Besprechungen
und einen gesteigerten Bedarf an Materialien, die allen zur Verfügung
gestellt werden müssen, d.h. zumindest erhöhter Etat für Kopierkosten! [3]
Wenn in einem Rhetorikseminar nur auf die Punkte der ersten Seite der
Pyramide eingegangen wird, kann man nicht mehr von einem umfassenden
Rhetorikverständnis sprechen, sondern es handelt sich dann um reine Präsentationstechnik,
die oft in Seminaren auch noch technizistisch vermittelt wird, wenn z.B.
alle Teilnehmer/Innen bei der ersten Übung auf den richtigen Stand und eine
offene Gestik achten sollen, bei der zweiten Übung dann zusätzlich auf die
Lautstärke und die Pausen usw. [4]
In der gemeinsamen Arbeit liegt die Notwendigkeit für Verständigung.
Das kann man im Studium bei Projekten selbst erleben: Immer wieder wird die
konkrete Arbeit unterbrochen, um mit den anderen Beteiligten bzw. anderen
Arbeitsgruppen gemeinsame Absprachen über Ziele, Probleme oder das weitere
Vorgehen zu treffen. Die Interaktion (Wechselbeziehung) zwischen den Gesprächspartnern
ist die ursprüngliche Form der Kommunikation: sowohl individuell als auch
gesellschaftlich. Jeder Mensch lernt Sprechen im Gespräch mit
Bezugspersonen, bevor er eine zusammenhängende Rede organisieren kann.
Solange die Anzahl der Mitglieder einer Gruppe oder Gesellschaft überschaubar
ist, kann jeder mit jedem direkt im Gespräch wichtige Punkte klären. Das
ist der Vorteil von kleinen Veranstaltungen, wie man sie manchmal an der
Hochschule noch bei Examenskolloquien oder in Forschungsseminaren (Teilnahme
in der Regel nur nach vorheriger persönlicher Anmeldung beim Dozenten!)
erleben kann. Aber mit steigender Zahl der Mitglieder entstehen
Substrukturen, es wird arbeitsteilig vorgegangen, man hat nicht mehr die
Gelegenheit, selbst mit allen anderen über alle einzelnen Punkte zu
sprechen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit für Redeformen: Ergebnisse
von Besprechungen werden berichtet, einzelne beschäftigen sich mit
verschiedenen Teilaspekten, es werden Referate gehalten usw.
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